: Eher verscharrt als bestattet
OPFER Die wenigsten ertrunkenen Flüchtlinge werden in Italien würdig beerdigt. Oft erfolgt das Begräbnis erst nach Monaten
ROM taz | Aufsehen erregte Italiens Premier Matteo Renzi im Mai, als er ankündigte, er wolle die Hunderten Opfer der Schiffskatastrophe vor Libyen im April bergen lassen. Kosten dürften keine Rolle spielen, so Renzi seinerzeit, die ganze Welt solle „sehen, was geschehen ist“.
Fast vier Wochen sind seit dieser Ankündigung vergangen – aber Taten sind Renzis Worten nicht gefolgt. Nicht einmal zur Identifizierung der Opfer kam es, die den Angehörigen wenigstens Gewissheit über das Schicksal ihrer Lieben gegeben hätte – von einer würdigen Bestattung ganz zu schweigen. Dabei hatten humanitäre Organisationen Renzis Vorstoß vor allem in der Hoffnung darauf begrüßt.
Um die Würde im Umgang mit den Todesopfern ist es oft auch dann nicht gut bestellt, wenn ihre Leichen geborgen wurden. Etwa im Falle der Tragödie, die sich am 3. Oktober direkt vor Lampedusa zugetragen hatte: Die Särge wurden schnell von der Insel weggeschafft und dann auf die Friedhöfe zahlreicher Gemeinden Siziliens verteilt. Dort ruhen sie jetzt in meist anonymen Gräbern.
Eine Identifizierung nahmen Italiens Behörden erst Monate später in Angriff – obwohl sie über die DNA-Proben zahlreicher Angehöriger verfügen. Weil unklar war, wer die Kosten dafür trägt, sollten die Verwandten der Opfer selbst zahlen. Die Folge: Bis heute haben nur wenige der 368 Ertrunkenen einen Namen.
Ein Umgang wie nach der Lampedusa-Tragödie ist kein Einzelfall: Immer wieder werden Leichen ertrunkener Flüchtlinge eher verscharrt als bestattet. Und oft erfolgt das Begräbnis erst nach Monaten, in denen die Körper in den Kühlzellen der Leichenschauhäuser aufbewahrt werden. So machten im letzten April mehrere Flüchtlingshilfeorganisationen den Fall von 15 Toten öffentlich, die erst Wochen nach ihrem Ertrinken beigesetzt wurden – namenlos in Gräbern, die schon nach kurzer Zeit völlig verwahrlost waren.
Im sizilianischen Catania etwa dauerte es fast ein Jahr, bis 17 ertrunkene Migranten endlich beigesetzt wurden. In ihrem Fall wenigstens wollte Bürgermeister Enzo Bianco, ein würdevolles Begräbnis. Er selbst, der Staatsanwalt von Catania, ein katholischer und ein koptischer Priester sowie ein islamischer Imam, dazu viele Aktivisten aus der Flüchtlingsarbeit hatten sich zu der Zeremonie eingefunden; auf dem Friedhof wurde ein Mahnmal für die Opfer enthüllt, versehen mit Versen des nigerianischen Nobelpreisträgers Wole Soyinka. MICHAEL BRAUN