: Weltjustiz sprengt Staatengipfel
AFRIKA Südafrikas Justiz verfügt Ausreiseverbot für den zu einem AU-Gipfel angereisten Präsidenten Sudans und prüft, ob sie den Den Haager Haftbefehl gegen ihn vollstreckt
VON DOMINIC JOHNSON
BERLIN taz | Es sollte ein Routinegipfel werden. Aber noch vor seiner Eröffnung am Sonntag wurde der 25. Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) im südafrikanischen Johannesburg von einem einzigen Teilnehmer überschattet: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir, der am späten Samstag angereist war und gegen den Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag anhängig sind.
Ein Gericht in Pretoria verfügte am Sonntagmittag per Eilerlass, Bashir dürfe Südafrika nicht wieder verlassen, bevor es keine richterliche Entscheidung darüber gibt, ob dieser Haftbefehl in Südafrika vollstreckt wird. Geklagt auf Vollstreckung hatte die Menschenrechtsguppe South Africa Litigation Centre (SALC). Die Verhandlung darüber begann am Sonntagnachmittag. Am späten Nachmittag vertagte Richter Hans Fabricius die Beratungen auf Montag und bestätigte derweil das Ausreiseverbot.
Den Haag sucht Bashir seit 2009 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen von Angriffen auf die Zivilbevölkerung der westsudanesischen Region Darfur im Jahre 2003 und danach. 2010 wurden die Haftgründe in einem zweiten Haftbefehl auf den Verdacht der Mittäterschaft bei Völkermord erweitert. In Darfur sind seit 2002 mehrere Hunderttausend Menschen getötet und mehrere Millionen vertrieben worden, zumeist Opfer arabischer Milizen, die von Sudans Regierung aufgebaut und ausgerüstet wurden.
Die Haftbefehle sind umstritten, denn Sudan ist nicht Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs. Dass Den Haag gegen Bashir überhaupt Ermittlungen einleiten konnte, ist einem Votum des UN-Sicherheitsrats zu verdanken. Sudans Regierung erkennt die Zuständigkeit des Strafgerichtshofs nicht an und wird darin von der AU unterstützt. 2014 beschloss ein AU-Gipfel, dass afrikanische Amtsträger vor dem Strafgerichtshof Immunität genießen. Aber vor dem aktuellen AU-Gipfel erinnerte der Strafgerichtshof in einer Stellungnahme an die Pflicht seiner Mitgliedstaaten – zu denen Südafrika gehört –, seine Haftbefehle zu vollstrecken. Südafrikas Regierung argumentiert jetzt vor Gericht, sie habe auf einer Kabinettssitzung beschlossen, sich stattdessen an den AU-Gipfelbeschluss zu halten.
Berichten zufolge wurden südafrikanische Diplomaten bei einem Treffen in Den Haag vor dem AU-Gipfel ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Vollstreckung des Haftbefehls hingewiesen, sollte Bashir südafrikanischen Boden betreten. Noch 2012 hatte Malawi darauf verzichtet, einen AU-Gipfel abzuhalten, um dieser Verpflichtung entgehen zu können. Südafrika und offenbar auch Bashir selbst gingen anscheinend davon aus, dass diesmal kein Risiko bestehe.
Wie das ausgeht, ist völlig offen. Den Gipfel hat es gehörig durcheinandergebracht. Der Auftakt Sonntagmittag verzögerte sich, die Staatschefs verschwanden zu einer Sondersitzung hinter verschlossenen Türen – ob mit Bashir oder ohne, blieb unklar. Zum gemeinsamen Gipfelfoto stellte sich Bashir in die erste Reihe, nur zwei Plätze entfernt vom UN-Untergeneralsekretär Jan Elliason, früher UN-Darfur-Sonderbeauftragter.