„Ganz feine Antennen“

DEMENZ Erkrankte vergessen nicht nur, sie ändern ihren Charakter – für Angehörige ist das belastend

■ 50, ist Pflegeberaterin an der Angehörigenschule. Sie besucht Familien Demenzkranker daheim.

taz: Frau Schlögl, woran merkt man, dass Oma und Opa nicht nur ein bisschen tüdelig, sondern dement werden?

Daniela Schlögl: Bei einer Demenz können sich die Betroffenen auch trotz intensiven Nachdenkens nicht mehr erinnern – zum Beispiel, wenn man fragt, was sie gestern gemacht haben. Oft ziehen sich die Menschen von Freunden und Familie zurück. Und sie verlegen häufig Gegenstände.

Der berühmte Schlüssel im Kühlschrank?

Genau. Das könnte ein Anzeichen sein. Wichtig ist dann, dass die Betroffenen das von einem Arzt überprüfen lassen.

Was bedeutet die Krankheit für die Angehörigen?

Das Leben verändert sich total. Nicht am Anfang einer Demenz, aber im Verlauf – weil das betroffene Familienmitglied, zum Beispiel der Ehepartner, seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Oft kann man die Menschen irgendwann nicht mehr alleine lassen, manche entwickeln Depressionen und auch die Persönlichkeit kann sich verändern. Irgendwann ist es nicht mehr der Mensch, den man kennt.

Was sollten die Angehörigen in einer solchen Situation ändern?

Sie müssen als erstes lernen, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, damit sie nicht von der Situation überfordert werden. Wir raten dazu, sich über Angebote zur Entlastung, wie die Tagespflege, zu informieren, damit man auch mal frei hat. Das kann dann auch über eine Pflegestufe finanziert werden.

Sind Demenzkranke in einem Heim besser aufgehoben?

Das kommt auf das Stadium der Demenz an. Zu Beginn ist das Leben zu Hause mit einem Demenzkranken in der Regel noch sehr gut händelbar. Schwierig wird es, wenn derjenige alleine lebt und irgendwann nicht mehr nach Hause findet oder sich der Tag-Nacht-Rhythmus ändert. Das können Angehörige, gerade wenn sie selbst schon älter sind, meist nicht lange durchhalten.

Wie können Angehörige Demenzkranke in ihre Welt zurückholen?

Auf der Verstandesebene kann es sein, dass man den Menschen nicht mehr erreicht, aber auf der Gefühlsebene geht das immer. Auch im Endstadium spüren die Menschen, wenn man sie berührt und wie man ihnen begegnet. Dafür haben sie ganz feine Antennen.  INTERVIEW: REA

„Spezialkurs Demenz – in Hamburg sagt man tüdelig“: 17 Uhr, Agaplesion Diakonieklinikum, Hohe Weide 17. Anmeldung per E-Mail bei der Hamburger Angehörigenschule: info@hamburgerangehoerigenschule.de