: „Und es kam Hochwasser“
INKLUSION In einem Workshop wird das Langzeitprojekt der Bibelübertragung in Leichte Sprache vorgestellt
VON MARKUS LÜCKER
Die Eröffnung neuer Publikumskreise hat Tradition bei den Protestanten: 1534 vervollständigte Luther seine Bibelübersetzung. 2009 in Bremen schreibt der evangelische Kirchentag das Thema Inklusion als Leitbegriff ins Programm. Resultat in diesem Jahr sind unter anderem neunzehn Veranstaltungen, die sich mit behindertengerechter Sprache beschäftigen, der sogenannten Leichten Sprache.
Im Workshop „Bibel in Leichter Sprache“ diskutieren Theologen, Pastoren und Behindertenbetreuer über inklusive Sprache. Die folgt festen Regeln: einfacher Satzbau, keine Sprachbilder, kein Passiv, kein Genitiv. Es ist der Versuch, Texte auch für Menschen mit Leseschwierigkeiten verständlich zu machen. Für Menschen mit Behinderungen, aber auch für Migranten und Sprachanfänger.
Zum Abschluss des Workshops werden diese Übersetzungen von Menschen mit entsprechender Disponierung geprüft. Aus der Bibelpassage „als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten“ wird dann etwa „Da kam ein schlimmer Sturm. Der Sturm brauste. Und tobte. Und es kam Hochwasser.“
Ein langwieriger Prozess. Vor eineinhalb Jahren begann das Kooperationsprojekt „Evangelium in Leichter Sprache“, die Bibel zu übersetzen. Jede Woche eine neue Textstelle. Auf Fertigstellung ist das Vorhaben nicht ausgelegt. Eine offizielle, vollständige Bibel in Leichter Sprache ist auch deshalb nicht zu bekommen, wird vielleicht so schnell auch nicht zu bekommen sein.
Das Kooperationsprojekt, eine Zusammenarbeit zwischen dem Katholischen Bibelwerk und einer jesuitischen Akademie, ist Gastgeber des Kirchentag-Workshops. Nicht Protestanten also, sondern Katholiken. Die Übertragung der Bibel in Leichte Sprache liegt fast ausschließlich in katholischer Hand. „Wir haben natürlich enge Verknüpfung zur Evangelischen Kirche, die Bemühungen kommen aber hauptsächlich von unserer Seite“, sagt der katholische Theologe Claudio Ettl, Mitveranstalter des Workshops.
Eine beinahe schon paradoxe Situation, weigert sich doch gerade der Katholikentag, die Leichte Sprache in sein Programm einzuarbeiten. Es gibt bislang zwar Broschüren und Begleitmaterial – bunt illustrierte Wegweiser durch das Programm in Leichter Sprache, die auf Veranstaltungen verweisen, welche wiederum nicht in Leichter Sprache sind.
Rückmeldung des Zentralkomitee der deutschen Katholiken sei bislang gewesen, „wir haben doch gerade erst die Gebärdensprache aufgenommen, da ist jetzt wirklich kein Platz für so was“, sagt Ettl im Anschluss an den Workshop. Dabei versteht man sich nicht als Bedrohung für die traditionellen Übersetzungen, will Einheitsübersetzung und Lutherbibel nicht ersetzen. Man liefere ein Angebot, zugeschnitten auf die Ansprüche des Zielpublikums. „Und da geht man entweder auf Kompromisse ein, oder man verliert diese Leute“, sagt Ettl.