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Archiv-Artikel

Auf dem Weg zur grünen Universität

ALMER MATER Die Berliner Hochschulen sind auf Nachhaltigkeitskurs. Umweltthemen finden nicht nur Eingang in Lehre und Forschung, auch der „Betrieb Universität“ wird zunehmend nach ökologischen Standards geführt. Eine Bestandsaufnahme

Nachhaltigkeitskongress

■ An der Technischen Universität (TU) Berlin findet von Freitag bis Sonntag das größte Nachhaltigkeitsevent in diesem Semester statt. Die TU-Projektwerkstätten laden zum „internationalen studentischen Kongress Sozial-ökologische Hochschule“.

■ Geboten wird eine „aktuelle Umschau studentischer Nachhaltigkeits-Initiativen innerhalb und außerhalb der Hochschulen“.

■ Informationen unter:

http://projekte.projektwerkstaetten.tu-berlin.de/wordpress/kongress-2015/

VON MANFRED RONZHEIMER

„Komm, lieber Mai, und mache die Unis wieder grün“ – würden heutige Studenten noch deutsche Volkslieder intonieren, wäre eine solche Adaption auf den Berliner Hochschul-Campi nicht unwahrscheinlich. Fakt ist: Alle Hochschulen der Stadt sind auf Nachhaltigkeitskurs eingeschwenkt. Sie bauen das Thema Umwelt nicht nur in Lehre und Forschung ein, sondern führen auch den „Betrieb Universität“ zunehmend nach ökologischen Standards.

Die Wege zur „grünen Hochschule“ sind indes sehr unterschiedlich: mal sind Studierende die treibenden Öko-Kräfte, anderswo ist Nachhaltigkeit präsidiale Weisung der Unileitung. Spät nahm sich die Humboldt-Uni (HU) des Themas an, dafür aber umso mächtiger. „Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit verlangen einen umfassenden Transformationsprozess“, sagt Constanze Werner von der studentischen Initiative Nachhaltigkeitsbüro. „Was uns umtreibt, ist die Nachhaltigkeit der Uni selbst. Wie sollen wir lernen, wie sich Nachhaltigkeit erreichen lässt, wenn die Universität nicht selbst dazu bereit ist?“ Etliche Aktionen hat die Studentengruppe bereits angestoßen: ökologische Filmabende, Abfalltrennung in den Instituten, energiesparende Computer und die „grüne Websuche“ mit der Google-Alternative Ecosia sind einige der Themen.

Offensive Obst-Theke

Viel Engagement gibt es auch bei gesunder Ernährung, etwa zur Wiederbelebung der Food-Coop, einer Lebensmittelkooperative mit Öko-Landwirten in Brandenburg oder mehr Obst und Gemüse in den Mensen der Uni. Passend dazu hat eine Studie in der HU-Mensa Nord ergeben, dass durch „einfache Verbesserung der Platzierung und Bewerbung von Obst dessen Konsum um 80 Prozent erhöht“ werden kann. Inzwischen setzt das Studentenwerk Berlin die offensive Obsttheke in 13 großen Hochschulmensen Berlins um. „Dadurch werden auch Ressourcen geschont, denn der ökologische Fußabdruck von Obst ist meist viel geringer als der von milchbasierten Nachspeisen“, bilanziert das Nachhaltigkeitsbüro.

Auch im Lehr- und Forschungsbetrieb der HU ist das grüne Thema angekommen. Erstmals wird im laufenden Sommersemester ein „Studium oecologicum“ angeboten, mit Themen zu allen Aspekten der Nachhaltigkeit. Zum Vergleich: Die Uni Tübingen, wo die grüne Ringvorlesung vor zehn Jahren erfunden wurde, hat inzwischen 20 Nachhaltigkeitsseminare im Lehrplan. Eine Innovation auf Forschungsseite ist das „Interdisziplinäre Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen“ (IRI THESys), das an der HU neue Forschungsansätze erprobt. Es setzt sich aus 25 Wissenschaftlern mehrerer Uni-Institute zusammen, die gemeinsam Themen zum „Globalen Wandel“ untersuchen. Ein Projekt zur veränderten Landnutzung in Kolumbien etwa verknüpft das Wissen von Agrarforschern, Geografen und Politikwissenschaftlern.

Neu ist auch die Themenklasse „Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit“, zu der 15 Doktoranden gehören, denen die Humboldt-Stiftung ein Deutschlandstipendium finanziert. „Damit fördern wir nicht nur eine neue Generation des wissenschaftlichen Nachwuchses“, erklärt IRI-THESys-Geschäftsführer Sebastian van der Linden, „sondern auch den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Perspektiven“.

Im Süden der Stadt verfolgt die Freie Universität (FU) mehr einen „Top-down“-Ansatz zur Ökologisierung der Hochschule. Zwar gibt es auch hier Öko-Leuchttürme in Forschung und Lehre, wie das Forschungszentrum für Umweltpolitik, das in den 80er Jahren von Martin Jänicke gegründet wurde, oder die Lehr-Initiative „Sustain it“ mit dem Projektkurs „Sozial-ökologische Transformation in Zeiten multipler Krisen“. Besonders beliebt ist die Schüler-Uni „Lernen für eine zukunftsfähige Welt“, die in den Semesterferien an die 1.000 Schüler nach Dahlem zieht.

Energieverbrauch gesenkt

Vorzeigbare Erfolge sind der FU mit dem Umbau ihres Gebäudemanagements gelungen. „In den Jahren 2003 bis 2011 konnten wir aus Konjunkturmitteln rund 2,5 Millionen Euro für technisch-bauliche Maßnahmen zur Energieeinsparung investieren“, berichtet Andreas Wanke, der Leiter der Stabsstelle „Energie und Umwelt“ der FU Berlin. Seitdem konnte der Energieverbrauch um 25 Prozent gesenkt werden. Jedes Jahr werden so 4 Millionen Euro eingespart.

Möglich wurde das durch ein umfassendes Ökomanagement von Verwaltungsseite. „In den Fachbereichen haben wir elf Umweltteams gegründet, denen vom Verwaltungsleiter und dem Mittelbau bis hin zum Hausmeister und den Studenten alle Akteure angehören“, erklärt Wanke. Ihr Auftrag: überall nach ökologischen Verbesserungen suchen.

Wankes Arbeit ist für die Uni so wichtig, dass sie Anfang des Jahres vom Facility-Management zur „Stabsstelle Nachhaltigkeit und Energie“ aufgewertet wurde, die direkt dem Uni-Präsidenten zugeordnet ist. Ein ökologischer Ritterschlag: Nachhaltigkeit als Führungsaufgabe. Die Stabsstelle wird noch um ein Steuerungsgremium ergänzt, das Kompetenzen aus den Fachbereichen in die Zentrale holt. Was noch fehlt an der FU: „Unser universitärer Nachhaltigkeitsbericht ist noch nicht geschrieben“, gibt Wanke zu.

Bei der Effizienzsteigerung hinkt die HU der FU um Jahre hinterher. Nicht mal die Richtung stimmt. „Wir haben Stromverbrauchskosten von 8 Millionen Euro im Jahr“, berichtet Erik Thielecke, der Gebäude- und Energiebeauftragte der HU. „Das ist ein Verbrauch von 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr, der aber zunimmt“, so Thielecke. Grund ist die Computerisierung: mehr Rechner, die mehr Strom verbrauchen. „Ich habe aber nur eine halbe Stelle für einen Energiebeauftragten; unsere Ressourcen sind begrenzt“. Die Exzellenz-Universität, mit vielen zusätzlichen Millionen für die Öko-Forschung, ist zu arm zum Energiesparen.

Den besten, detailliertesten Nachhaltigkeitsbericht der Berliner Hochschulen erstellt regelmäßig die Technische Universität (TU) – nur heißt er nicht so, sondern „Umweltbericht“, erstellt von der Kombinationsstelle „Sicherheitstechnische Dienste und Umweltschutz“. Erst die Unterzeile formuliert das Oberziel: „Nachhaltig lehren und forschen“.

Mehr Öko-Forschung

Der letzte Bericht, für 2013, enthält neben den technischen Verbrauchsdaten auch interessante Angaben zum Studienbetrieb. So erhöhte sich an der TU der Anteil der Forschungsprojekte mit Nachhaltigkeitsbezug in den Jahren 2011 bis 2013 von 13 auf 18 Prozent. Bemerkenswert: In der Lehre ist der Trend gegenläufig. Dort sanken die Umwelt-Veranstaltungen von 12 auf 9 Prozent.

„Greening the University“ kommt zwar voran – größtes Manko aber ist der universitäre Individualismus

Auch an der TU ist die Hochschulbürokratie eine Hürde für die Ökologisierung. „Vor Jahren gab es einen Anlauf, flächendeckend Solar-Panele auf die Uni-Dächer zu stellen“, berichtet ein Insider. „Die Bauabteilung hat das systematisch verschleppt, weil angeblich die Tragfähigkeit der Dächer nicht ausreichend sei.“ In gleicher Weise ist es den Plänen für ökologische Dachgärten ergangen.

Was an der HU das junge studentische Nachhaltigkeitsbüro ist, sind an der TU die etablierten und in Form einer Zentraleinrichtung abgesicherten studentischen Projektwerkstätten und der Wissenschaftsladen „kubus“. Seit Jahrzehnten werden hier Technologien der Nachhaltigkeit in Reallaboren entwickelt und in selbst organisierter Lehre vermittelt. „Unsere Zielgruppe ist die Zivilgesellschaft. Unser Fokus ist die Umwelt, der Umweltschutz und alle Fragen der Nachhaltigkeit bis hin zum Ressourcenschutz und Klimawandel“, sagt Frank Becker vom kubus-Wissenschaftsladen. An Praxisbeispielen hebt er das Engagement im Bereich Recycling hervor. „Ausgehend von unserem Re-Use-Computer-Projekt in den Jahren 2001 bis 2005 gehört kubus heute in Deutschland zu den Einrichtungen, die in Fragen von Wieder- und Weiterverwendung gehört werden“, erklärt Becker.

Einen weiteren Erfolg sieht er im Bereich nachhaltiges Wassermanagement, wo Wissen aus der Hochschule über internationale Projekte in die Praxis vermittelt werden konnte. In den letzten Jahren widmet man sich wieder verstärkt dem Großraum Berlin-Brandenburg. Die Öko-Expertise soll an Bezirks- und Senatsverwaltungen und an Umweltorganisationen herangetragen werden. „Auch Initiativen wie der Garten auf der Erweiterungsfläche des Mauerparks sind unsere Partner“, erläutert der kubus-Mann. „Überall dort, wo ‚Empowerment‘ in Verbindung mit Nachhaltigkeit ein Thema ist, fühlen wir uns angesprochen.“

„Greening the University“ kommt zwar erkennbar voran in Berlin. Größtes Manko aber ist der universitäre Individualismus. Es fehlt an engerer Vernetzung, an Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Hochschulen. Vor allem bei den Studierenden und den Verwaltungen ist das ökologische Einzelgängertum verbreitet, weniger bei den Forschern, wo übergreifende Kooperation vermehrt zum Pflichtprogramm gehört. Eine Grüner Runder Tisch der Umweltbeauftragten oder eine ökologische Wissens- und Kooperationsbörse aller Hochschulen wäre der nächste logische Entwicklungsschritt.

Unis haben Verantwortung

Eine weitere Erwartung hat Martin Jänicke, lange Zeit Professor für Umweltpolitik an der FU. Er bemängelt, dass sich die Universitäten gerade bei den wichtigen Themen der Nachhaltigkeit und großen gesellschaftlichen Herausforderungen zurücklehnen und sagen: „Wenn es zur Anwendung kommen soll, dann ist das die Holschuld der Gesellschaft.“ Der Grand Old Man der Berliner Umweltforscher sieht die Verantwortung dagegen eher bei den Universitäten: „Die Universitätsangehörigen müssen sich stärker als bisher als Mitlernende in der Gesellschaft begreifen und die intellektuelle Vernetzung mit diesen Kräften herstellen“, so Jänicke.