: Trotz Kopfschuss kein Visum für eine Operation
NOT Weil Muhammed Al Mousa einen Asylantrag in Berlin stellen könnte, darf er nicht einreisen
Seit einem Jahr wartet Muhammed Al Mousa darauf, operiert zu werden. Der dreißigjährige Student wurde von einem Scharfschützen in den Kopf geschossen. Schwer verletzt musste er in die Türkei fliehen. Das war 2012. Heute lebt er mit seiner Frau und seinem Kind in der Stadt Gaziantep und wartet.
Denn seine türkischen Ärzte können den komplizierten Eingriff nicht vornehmen, es sei zu gefährlich. In Berlin hingegen traut man sich die Operation zu. Am Ende wird eine Privatperson, Sophia Deeg, die nötigen 6.000 Euro an das Vivantes-Klinikum Friedrichshain überweisen und bei Al Mousas Visumsantrag helfen. Alle Papiere sind vorhanden, der Aufnahmetermin in der Neurochirurgie steht – doch das Auswärtige Amt stellt sich quer. Es sei nicht gesichert, ob Al Mousa wieder in die Türkei zurückkehren werde. Womöglich stelle er hier einen Asylantrag.
Der beratende Arzt, Jakob Borchardt, ebenfalls bei Vivantes tätig, sagt gegenüber der taz: „Ich bin stark verwundert, dass bei einer so klaren medizinischen Indikation ein Visum verweigert wird. Bei Patienten aus Russland oder Saudi-Arabien ist das Routinesache.“
Al Mousa klagt gegen das Auswärtige Amt. Das Berliner Verwaltungsgericht wird morgen um 11 Uhr darüber befinden, ob die Entscheidung erneut überprüft wird. Für Al Mousa hängt sein Leben davon ab. Denn inzwischen haben sich an der offenen Kopfwunde zwei Zysten gebildet. Sein Zustand verschlechtert sich zusehends.
Der Berliner Strafverteidiger Nicolas Becker fasst die Haltung, die er „unmenschlich“ findet, so zusammen: „Es kann doch nicht sein, dass man jemandem nicht hilft, obwohl man helfen kann, und stattdessen auf den Rechtsweg verweist. Und damit den Tod eines Menschen in Kauf nimmt.“
Es liegt nun im Ermessen des Verwaltungsgerichts und vor allem des Auswärtigen Amts, ob Al Mousa eine gefährliche Operation an einem Ort machen lassen kann, wo es gute Heilungschancen gibt. Oder nicht. INES KAPPERT