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Archiv-Artikel

Die nächst Gott Höchsten

G-7-GIPFEL Eine Vorabbesichtigung des Tagungsorts Schloss Elmau

Die sieben klügsten und schönsten Regierungschefs werden sich den Kopf vertreten

14 Milliarden Augen werden im Juni an Schloss Elmau hängen, wenn in den bayerischen Alpen weit oberhalb der Menschheit die wichtigsten Köpfe des Globus zusammenkommen. Wo sich sonst die bis in die Fingerspitzen saubere Crème de la Crème aus Adel, Hochfinanz, Menschenhandel und Dichtung einfindet, reden zwei Tage lang die prächtig anzuschauenden Staatenlenker der G 7 darüber, wie man dem Kapitalismus zu noch mehr dickem Wachstum und Wettbewerb verhelfen und die Welt endgültig zerstören kann.

Von Krün im Landkreis Garmisch-Partenkirchen führt eine enge Straße über Klais und das Scharter Moos nach Kranzbach und zum Hirzeneck, von wo der Weg über Kranzbach via Scharter Moos und Klais zurück nach Krün führt, denn Schloss Elmau ist für einfache Lebewesen nicht leicht zu erreichen. Mancher, der es auf eigenen Beinen wagte, wurde wenig später abgenagt in den Bergwäldern gefunden. Für die brillantesten Politiker des Universums allerdings, die hier ihre fünf Buchstaben versammeln, wurde ein Hubschrauberlandeplatz in die romantische Gebirgslandschaft gefräst und soll nach Abpfiff des Gipfeltreffens, zur Beruhigung der Naturschützer und wenn wieder normaler Auftrieb auf Schloss Elmau herrscht, in einen Hubschrauberlandeplatz verwandelt werden.

In einer pittoresken Umgebung, wo allenfalls ein glücklich auf dem ersten Loch pfeifendes Murmeltier die Stille schmückt oder der Alpentiger ein eben aus dem Muttertier herausgefallenes Gemslein reißt, werden sich also die sieben klügsten und schönsten Regierungschefs des 21. Jahrhunderts treffen und auch abseits der gierigen Fernsehkameras zu Begegnungen Gelegenheit haben, denn zwischen den Terminen ist es immer möglich, sich ein wenig den Kopf zu vertreten.

Fremde werden die Besten der Erdkugel keine treffen müssen, da das Areal weiträumig vor Menschen abgeriegelt wird. Dr. Damisch vom bayerischen Innenministerium, Landrätin Hinforter-Gfriaß, Bürgermeister Odlgruam von der Samtgemeinde Kaas sowie Polizeipräsident Ibidum sorgen in Zusammenarbeit mit Chefredakteur Narrisch vom Misrabliger Anzeiger in breiter Einmütigkeit für eine breite Einmütigkeit der Bevölkerung, um die Herrscher des Planeten vor ihr abzuschirmen.

Der Bezirksjäger erhält eine fachspezifische Schulung, und auf den Almen und Lichtungen, wo sich Demonstranten unter nacktem Himmel sammeln könnten, werden Fangeisen und Hochspannungskabel ausgelegt. Für ihr Entgegenkommen erhält die Gemeinde Krün aus Landesmitteln ein überlebensgroß renoviertes Rathaus mit separaten Räumen für Antragsteller sowie eine zum Nageln neue Sexboutique – Bergschäfchen inklusive.

Warum traf die Wahl der gastgebenden Bundesregierung Schloss Elmau? Schon Ludwig II. von Bayern besaß auf dem steifen Gipfel des nahen Schachen ein warmes Königshaus. 1916, der Erste Weltkrieg war voll am Krachen, ließ sich der Herr Lebensreformer Johannes Müller im Tal ein stilles, wohlschmeckendes Domizil errichten, in dem seine Anhänger Urlaub vom Ich nahmen und den Weg ins Du weiter unten fanden.

Unter Hitler hielt sich Müller bedeckt, soweit das einem Anhänger des Nationalsozialismus möglich war. Nach beider Ende schneiderten Müllers Erben Müller-Elmau aus dem Anwesen einen Treffpunkt der Reichen und Hübschen, die bekanntlich den steilen Höhepunkt der Evolution verkörpern. In der durchgeistigten, aber nicht zu gehirnlastigen Luft konnten wertvolle Deutsche das Weltgetriebe unter sich lassen, sich Hochkultur in konsumierbaren Portionen reinschieben und mit erhobenem Näschen und Ringelschwänzchen gar fein dressierte Gespräche führen.

In den neunziger Jahren, als die Welt sich dem Globus öffnete, avancierte Schloss Elmau zu einem auch international mit dem höchsten Gütesiegel – fünf Sterne mit Sternchen – ausgezeichneten Luxusresort für den gut riechenden Jet Set und höherstufige Menschen; aber auch Peter Sloterdijk, Giovanni di Lorenzo und Mick Jagger mieteten sich ein. „Wir nehmen schließlich keine Arschgesichter auf!“, so die ungeschriebene Philosophie des Hauses, die vielmehr vorschreibt, dass für das illustre Publikum kein Aufwand gescheut wird: „Selbst kleine Schäden bei der Nutzung des Personals“, betont der heutige Schlossherr Dodo „Müller“ Müller-Elmau-Müller, „sind im Preis inbegriffen.“

Nichtsdestoweniger wäre es ein Vorurteil, dass nur Personen mit reichlich Geld in der Hose sich Schloss Elmau leisten können. Ganz im Gegenteil wurden auf der reizvoll gelegenen Anlage auch attraktive Volieren für weniger betuchte Gäste eingerichtet, die jederzeit gefüttert werden dürfen und freien Blick dorthin haben, wo das Paradies blüht, das „Luxury Spa & Cultural Hideaway“, wie es auf Deutsch heißt: dorthin, wo sich am 7. und 8. Juni 2015 die nächst Gott Höchsten einfinden. Herzlich willkommen auf Schloss Elmau, liebe G 7! PETER KÖHLER