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Archiv-Artikel

Los ging’s zu Fuß

GESCHICHTE Im Wremer Heimatmuseum ist die Fischerei aus alten Zeiten zu sehen – ohne sie zu idealisieren

Der Heimatkreis konserviert hier kein Früher, in dem vermeintlich alles besser war

Eine wimmelnde graue Masse lebend ins Kochwasser schaufeln: Schön ist an der Krabbenfischerei erst mal nichts. Trotzdem begründet sie Folklore. In Fischerdörfern wie Wremen bei Bremerhaven lebt man heute zwar eher vom Tourismus als von der Fischerei, die gemeinsame Identität aber stiftet noch immer das Tier aus dem Watt.

Direkt im Wremer Ortskern steht das „Museum für Wattenfischerei“ – mit dem Nachbau einer Fischerstube und einer Krabbenküche, wie es sie hier einmal in beinahe jedem Haus gab. Daneben Schiffsmodelle und das Fangwerkzeug, mit dem man vor hundert Jahren noch zu Fuß ins Watt stapfte.

Der „Heimatkreis“ hat diese Exponate vor dem Müll bewahrt. „Aber die Jugendlichen von heute“, sagt dessen Vorsitzender Fredi Fitter, „interessierten sich kaum noch für Geschichte.“ Den Museumsverein plagen Nachwuchssorgen. Dabei hat das hier mit Trachten-Unfug nichts zu tun, sondern mit dem Einfallsreichtum von Menschen, die sich unter stets widrigen Bedingungen irgendwie durchschlagen mussten.

Wo der Heimatverein nicht weiter wusste, hat er professionelle Hilfe geholt: Ein Diorama, das die Küste mitsamt Unterwasserlandschaft, Muschel- und Krabbenfischerei zeigt, stammt vom inzwischen verstorbenen Künstler Erich Böttcher aus dem Bremer Überseemuseum.

Der Heimatkreis konserviert hier kein Früher, in dem vermeintlich alles besser war. Stattdessen dokumentiert er ein rasantes Jahrhundert technischen Fortschritts, der immer auch geprägt war von kuriosen Erfindungen, die es anderswo nicht gab: Die Hundeschlitten etwa, mit denen die Wremer zu ihren Reusen ins Watt fuhren.

Fotos zeigen, wie nach dem Krieg erste motorisierte Kutter zusammengeschustert wurden: ausrangierte Rettungsboote mit eigenhändig gezimmerten Holz-Aufbauten. Diese bauchigen Boote mit flachem Rumpf gibt es hier heute aus Souvenirtassen oder als Schlüsselanhänger zu kaufen. Das Museum hat sogar ein Original an der Straße aufgebockt.

Vom Hafen um die Ecke fahren auch heute noch Kutter raus. Der Fang wird direkt vom Schiff verkauft, oder über den Deich ins Fischrestaurant getragen. Da ist man stolz auf das seit Generationen betriebseigenen Boot. Und, weil es auch diesen Familienbetrieben nicht nur um Folklore geht, auch auf die konservierungsmittelfreien Krabben, die es anderswo kaum noch gibt. Dort müssen sie zwischen Kutter und Supermarkt schließlich noch zum Pulen nach Marokko.  JAN-PAUL KOOPMANN