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Archiv-Artikel

Beste Nachwuchsfjörderung

ERFOLGSGESCHICHTE Das Tanz- und Folkfest Rudolstadt feiert in diesem Juni sein 25. Jubiläum. Den Schwerpunkt bilden Norwegen und seine vielfältige und innovative Neo-Folk-Szene

VON CHRISTIAN RATH

Folkmusiker haben es in Norwegen gut. Aus vielen Fördertöpfen können sie Zuschüsse beantragen – für CDs, für Konzertreisen, für größere Kompositionen. Alles, was innovativ und anspruchsvoll ist, wird unterstützt. An drei Hochschulen des Landes kann man sogar Folkmusik studieren. Norwegen ist dank seiner Bodenschätze ein reiches Land. Und ein Teil der Ölmilliarden fließt in die Kulturförderung und die Folkmusik, weil das für eine lange Zeit von Dänen und Schweden fremdbestimmte Nation offenbar besonders wichtig erscheint.

Die Förderung hat jedenfalls eine lebendige Folk-Szene hervorgebracht, die auf dem diesjährigen Tanz- und Folkfest (TFF) Rudolstadt vorgestellt wird. Erst zum zweiten Mal, nach Finnland 1993, wird damit ein skandinavisches Land beim TFF mit einem Schwerpunkt beehrt. Dabei gibt es viel zu entdecken. Bisher kannte man in Deutschland in Sachen Fjord-Folk vor allem die samische Joik-Sängerin Mari Boine, den Folk-Jazz-Saxofonisten Karl Seglem oder die Geigerin Annbjörg Lien. Die TFF-Macher haben nun aber eher solche norwegische Folk-Stars eingeladen, die zu Hause schon den Durchbruch geschafft haben, in Deutschland aber noch Insider-Tipps sind.

So spielt der Geiger Gjermund Larsen mit seinem Trio wunderbare Melodien, immer einen Tick eleganter, als man das von Folkmusik erwartet. Eines seiner Alben hat er selbstbewusst „Aurum“ („Gold“) genannt. Larsen ist mit der norwegischen Spielmannstradition aufgewachsen, lernte über seinen Vater früh die alten Meister kennen, gewann schon als Kind Wettbewerbe für Folk-Geiger, studierte Folkmusik und spielte dann in den wichtigen Bands Majorstuen und Frigg. Doch erst im Gjermund Larsen Trio kann er nun seinen eigenen Stil entwickeln.

Die Valkyrien Allstars wirken auf manchen Fotos weniger elegant, eher wie eine White-Trash-Rockband. Ihren Namen haben sie nach der bodenständigen Osloer Bierkneipe Valkyrien gewählt, wo sie ihre ersten Auftritte hatten. Man käme deshalb nicht darauf, dass die drei Kernmitglieder jeweils die Hardangerfiedel spielen – eine Geige mit zusätzlichen Resonanzsaiten, das norwegische Nationalinstrument schlechthin. Sie machen aber auch keinen typisch norwegischen Geigenfolk: Der Gesang von Frontfrau Tuva Livsdatter Syvertsen ist eher soulig und die Arrangements werden inzwischen immer zarter, etwa auf „Farvel slekt og venner“, dem Titelstück ihrer jüngsten CD. Die Valkyrien Allstars sind damit derzeit die spannendste skandinavische Folkband.

Zu Rudolstadt gehören aber immer auch ungewöhnliche Kollaborationen. So tritt diesmal der norwegische Jazztrompeter Nils Petter Molvaer gemeinsam mit dem legendären Musiker- und Produzentenduo Sly & Robbie, den „Riddim Twins“ aus Jamaika, auf. Das Beispiel zeigt, wie weit das Rudolstädter Spektrum reicht. Und natürlich haben weite Teile des Programms gar nichts mit Norwegen zu. So werden dort auch der portugiesische Fado-Star Mariza und der deutsche Reggae-Sänger Patrice auftreten und der Albino-Sänger Salif Keita mit seiner alten Band Les Ambassadeurs aus Mali.

Zu den Rudolstädter Traditionen gehört, dass dort auch der deutsche Folk- und Weltmusikpreis „Ruth“ verliehen wird, natürlich verbunden mit großen Konzerten. Dieses Jahr erhalten ihn unter anderem der Liedermacher und Ironiekönig Funny van Dannen sowie das Projekt „Eurasians Unity“. Dort haben sich, auf Initiative der Kölner Saxofonistin Caroline Thon, Jazzerinnen und Folkmusikerinnen aus Iran, Libanon, Usbekistan, Bulgarien und Deutschland zusammengefunden.

In diesem Jahr feiert das TFF Rudolstadt seinen 25. Geburtstag, aber die Planer machen kein großes Aufheben darum. Dabei ist das TFF eines der gelungensten Projekte der deutschen Einheit. Früher gab es in Rudolstadt nur das Tanzfest der DDR, bei dem kostümierte Staats-Ensembles der sozialistischen Bruderstaaten kunstfertige Tanzvorführungen präsentierten. Nach der Wende hatte der Leipziger Musiker Uli Doberenz die Idee, daraus ein gesamtdeutsches Folk- und Weltmusikfestival zu machen. Heute ist er der Festivaldirektor und der Kölner Musikjournalist Bernhard Hanneken künstlerischer Leiter. Mittlerweile werden in Rudolstadt auf über 20 Bühnen rund 300 Konzerte geboten und in diesem Jahr an den vier Festivaltagen über 90.000 Besucher erwartet.

Wer jährlich nach Rudolstadt kommt, kann dort die Modernisierung, aber auch die Strukturprobleme einer thüringischen Kleinstadt nachverfolgen. Denn das Festival findet mitten im Ort statt – vom Heinepark an der Saale über den Rudolstädter Marktplatz bis zur Heidecksburg hoch über dem inzwischen weitgehend sanierten Stadtkern.