Inside Dolly Parton

AMERICAN SONGBOOK Rhiannon Giddens fühlt sich in große Frauenfiguren in Blues, Country und Jazz ein

Eine Musikerin, die die Qualitäten von Odetta, Nina Simone, Joan Baez und Dolly Parton vereint? Bei der Sängerin, Geigerin und Banjospielerin Rhiannon Giddens trifft das zu. Mit den Carolina Chocolate Drops arbeitete sie die Geschichte der schwarzen Stringbands Amerikas auf. Nach zwei Alben mit diesem Trio, das das Repertoire der Minstrelshows und der Ära vor Bluegrass erkundete, zog sie Starproduzent T Bone Burnett für die Begleitkonzerte zum Coen-Brothers-Film „Inside Llewyn Davis“ an Land und spannte sie neben Elvis Costello für die New Basement Tapes ein, seine Vertonung neu entdeckter Bob-Dylan-Lyrics.

Und nun ihr erstes Solowerk „Tomorrow Is My Turn“, eine genauso muskulöse wie feinfühlige Hommage an zentrale Frauenfiguren in Blues, Country, Folk und Jazz, von Sister Rosetta Tharpe bis Patsy Cline. „Ich suche mir in jedem Song eine Aussage, die ich aus meiner eigenen Erfahrung herausheben kann, meine eigene Stimme soll erkennbar bleiben. Es war mir aber auch ein Anliegen zu zeigen, dass ich von Musikerinnen der verschiedensten Stile und gesellschaftlichen Schichten beeinflusst bin. Jimmy Rodgers sang auch immer Blues, die Bluesmen machten auch immer Country. Erst die Plattenfirmen zogen die Trennlinien hoch und fingen an, in Kategorien zu denken“, sagt Rhiannon Giddens. Am Anfang ihres Albums steht mit „Last Kind Words“ eine wunderbar archaische Adaption der halbmythischen Bluesfrau Geeshie Wiley, gefolgt von Dolly Partons „Don’t Let It Trouble Your Mind“ und einem vom Country in den Soul hinübergezogenen Cover von Patsy Clines „She’s Got You“. Im Titelstück greift sie auf Nina Simones Version eines Aznavour-Chansons zurück. „Das ist das emotionale Zentrum des Albums“, sagt sie. „Man kann in Simones Interpretation von 1968 spüren, wie die Verzweiflung mitschwingt über all die Möglichkeiten, die ihr als schwarzer Frau verbaut waren. Wir als Künstler dürfen nicht aufhören, über diese Thematik zu sprechen. Auch in der Obama-Ära bleibt jede Menge zu tun.“

STEFAN FRANZEN

■ Rhiannon Giddens: „Tomorrow Is My Turn“ (Nonesuch/Warner)