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Archiv-Artikel

OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Resigniert, melancholisch und fast traumwandlerisch wirkt Peter Lorre in der Hauptrolle seiner einzigen Regiearbeit „Der Verlorene“ (1951), in der er einen Arzt verkörpert, der nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Flüchtlingslager arbeitet. Allerdings quält ihn ein dunkles Geheimnis: Er hat einen Mord auf dem Gewissen und war unfreiwillig in die Machenschaften der Nazis verwickelt. Die Vergangenheit holt ihn ein, als ein Mitwisser versucht, ihn zu erpressen. Im deutschen Kino der 1950er Jahre steht „Der Verlorene“ ziemlich singulär da, denn Lorre nahm sich den amerikanischen Film noir zum Vorbild: Mit disparaten Lichtquellen und der Kamera in der Untersicht wirken die Räume dunkel und klaustrophobisch – eine Albtraumwelt voller mächtiger Schatten. Das wollte in Deutschland damals niemand sehen – der Flop war vorprogrammiert. (22. 5., 21 Uhr; 24. 5., 19 Uhr, Zeughauskino)

Der erste große Horrorstar der Filmgeschichte war der auch als „Mann der tausend Masken“ bekannte Lon Chaney, der seine besten Filme in den 1920er Jahren mit Tod Browning drehte, dem späteren Regisseur von „Dracula“ und „Freaks“. Brownings Spezialität war nicht der offensichtliche Schrecken, sondern die Schaffung einer unheimlichen Atmosphäre, in der jede Merkwürdigkeit denkbar war. In dem Stummfilm „The Unknown“ (1927) verkörpert Chaney den vermeintlich armlosen Messerwerfer Alonzo, dessen Obsession Nanon (Joan Crawford) gilt, der Tochter des Zirkusdirektors. Sie hat eine Phobie: Sie kann die Berührung von Männern nicht ertragen. Damit wäre Alonzo eigentlich genau der richtige Partner für sie, gäbe es nicht ein kleines Problem: Tatsächlich ist Alonzo ein Krimineller auf der Flucht vor der Polizei und er hat noch seine Arme … Der Glaubwürdigkeit des makabren Melodrams kommt zustatten, dass Browning sich im Milieu gut auskannte, denn er war selbst einige Jahre mit Vaudeville- und Zirkusshows herumgezogen. Zu sehen ist „The Unknown“ mit Anna Vavilkina an der Kinoorgel. (24. 5., 0 Uhr, Babylon Mitte)

Deutlich heftiger zur Sache geht es in Herschell Gordon Lewis’ Exploitation-Klassiker „Blood Feast“ (1963), dem vermutlich ersten Splatterfilm: Ein verrückter ägyptischer Feinkosthändler hält sich für Fuad Ramses III. und ermordet in Amerika hübsche Frauen, weil er deren Körperteile benötigt, um eine Göttin zum Leben zu erwecken. Besonders toll ist der von Lewis selbst geschriebene Soundtrack mit einer wahnwitzigen Orgel- und Kesselpaukenmusik, deren einzelne Stücke (zumindest auf dem Soundtrack) so bezeichnende Titel wie „Eye Gouged Out“ und „Brains Knocked Out“ tragen. (26. 5., 20 Uhr, Z-inema)