: „Wir schaffen es auch ohne Quote“
FÜHRUNG Frauen sind in Präsidien von Hochschulen deutlich unterrepräsentiert. Die weiblichen Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nehmen sich des Themas jetzt an
■ 62, ist Präsidentin der Universität Göttingen und Vizepräsidentin der HRK. Die Biochemikerin war unter anderem Professorin an der Universitätsklinik Hamburg.
taz: Frau Beisiegel, Frauen in Führungspositionen der Wissenschaft – die HRK widmet dem Thema erstmalig eine ganze Konferenz. Wieso ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Ulrike Beisiegel: Das ist der richtige Zeitpunkt, weil heute zwar fast die Hälfte der Studierenden weiblich ist, aber in den Führungspositionen deutlich weniger Frauen sind. Es ist wichtig, jetzt damit anzufangen zu erörtern, was sich ändern muss, und uns zu vernetzen. Wir haben deshalb auch nur weibliche Teilnehmer eingeladen, sind also ganz unter uns.
Wie hoch ist der Anteil der Frauen in den Führungsgremien der Hochschulen aktuell?
Er liegt bei Präsidentinnen und Rektorinnen etwa bei 14 Prozent.
Welche Hindernisse gibt es für Frauen, aufzusteigen?
Um in eine Führungsposition zu gelangen, muss eine Frau in der Regel zunächst einmal Professorin werden und alle bekannten Hürden überwinden, wie die Familienplanung mit der Karriere zu koordinieren. Das gelingt aber zunehmend besser. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass Frauen nicht in den hochschulinternen Netzwerken sind. Das sind Männernetzwerke.
Es heißt, oft entschieden sich Frauen gegen eine Karriere, weil ihnen die Unternehmenskultur in der Hochschule wenig attraktiv erscheint. Was bedeutet das konkret?
In den Hochschulen herrschen oft Männerkulturen, viele Verhaltensweisen sind männlich geprägt. Man geht abends zusammen noch ein Bier trinken, die einzige Frau in der Runde ist schnell Außenseiterin. Konkurrenz und Erfolg funktionieren stark über männliche Attribute. Aber in den Hochschulen setzt langsam ein Kulturwandel ein.
Wer oder was hat Ihnen bei Ihrer Karriere geholfen?
Mich hat Hochschul- und Wissenschaftspolitik schon immer über meine wissenschaftliche Arbeit hinaus interessiert. Das führte dazu, dass ich in verschiedene Gremien, unter anderem in den Wissenschaftsrat, berufen wurde.
Waren Sie die Quotenfrau?
Ich habe mich nie so gesehen, aber vielleicht spielte das auch eine Rolle. Ich habe jedenfalls immer „meinen Mann gestanden“. Wichtig ist, dass ich als Frau Lust auf Führung habe, manche würden sagen: Lust auf Macht. Wobei es mir nie um Macht ging, sondern um Gestaltungsmöglichkeiten.
Was können die Hochschulen tun, damit mehr Frauen in den Präsidien vertreten sind?
Wir Frauen, die wir bereits Führungspositionen haben, müssen Vorbild sein. Das heißt, wir müssen jungen Frauen Mut machen für diese Positionen. Dieser Mut fehlte vielen lange Zeit. Das merkte ich schon bei den Studierenden. Wenn ich fragte, was sie werden möchten, dann sagten die Jungs Chefarzt, während die Mädchen höchstens Oberärztin angaben.
Was kann die Politik tun?
Sie kann uns unterstützen. Wenn Frau Wanka, wie angekündigt, eine Milliarde Euro für ein Nachwuchsprogramm und Dauerstellen auflegt, wird das einiges bewirken.
Wann sind „genug“ Frauen in Führungspositionen?
In einer Gesellschaft, die zur Hälfte aus Männern und zur Hälfte aus Frauen besteht, heißt genug: fifty-fifty.
Braucht man, um dieses Ziel zu erreichen, eine Quote, wie in Unternehmen?
Ich denke, die braucht man nicht mehr. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen sind heute mutiger und die Aktivitäten so vielfältig, dass ich glaube, wir schaffen es auch ohne Quote, junge Frauen nach oben zu bringen.
INTERVIEW: ANNA LEHMANN