: Auf der Flucht vor dem Ordnungsamt
NOT II Im Tiergarten und am Zoo kampieren immer häufiger Obdachlose. Erst kürzlich wurde ein großes Zeltlager an der Bahntrasse geräumt. Einige der Menschen wollen trotzdem bleiben
Montagabend am Neuen See im Tiergarten: eine einsame Parkbank, ein verlassenes Ruderboot, Abenddämmerung, idyllische Stille. Nur ein auf der Bank liegen gelassener Schlafsack erinnert vielleicht noch daran, dass hier bis vor ein paar Tagen Obdachlose kampierten.
Ein Stück weiter, auf einer Wiese am See, fällt der Blick auf einen großen grünen Baucontainer, in dem sich einige Zelte beziehungsweise die Reste davon befinden. Ansonsten sind im Tiergarten weder Obdachlose noch Zelte zu sehen.
Anders an den Bahntrassen des Bahnhofs Zoo: Hier am Fußgängerweg, der den großen Parkplatz am Zoo mit dem Tiergarten verbindet, stehen noch ein paar Zelte. Dabei hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes Mitte und Polizisten hier bereits am 7. Mai ein Zeltlager geräumt. (taz berichtete.)
Früh verschwinden
Katarzyna, eine 41-jährige Obdachlose aus Polen, die mit ihrem Mann und anderen an der Bahntrasse übernachtet, berichtet, dass sie bereits seit sechs Tagen wieder herkämen. „Wir können erst abends, kurz bevor es dunkel wird, das Zelt aufschlagen“, berichtet die Polin. Morgens müsse sie früh verschwinden, sonst werde man von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes fortgejagt.
„Dieses Jahr bleiben wir bis Ende der Sommerferien hier – Minimum“, sagt Benny, ein anderer Obdachloser, der neben Katarzyna gemeinsam mit seinen Kumpels sein Lager an der Bahntrasse aufgeschlagen hat. „Meine Kollegen und ich sind schon seit Sommer 2013 hier“, sagt er. Es habe nie Probleme gegeben – bis vorletzte Woche, als die Leute vom Ordnungsamt gekommen seien und ihm sein Zelt weggenommen hätten.
Die örtliche Polizei dagegen, da ist Benny sich mit Katarzyna einig, ist nicht das Problem. Die Polizisten hätten ihnen im Winter sogar Isomatten zur Verfügung gestellt. „Nur das Ordnungsamt ist schlecht“, sagt er.
Gegen zehn Uhr, mittlerweile ist es dunkel geworden, trifft Dennis am Minizeltlager ein. Auch er ist unzufrieden mit dem Vorgehen des Ordnungsamtes: „Wir wollen doch einfach nur unsere Ruhe haben. Wir tun doch niemandem etwas“, sagt er. Dennis hat auf die Räumung des Bezirks reagiert: „Ich schlafe hier nicht mehr, sagt er. „Ich habe einen besseren Platz gefunden.“ Dann verschwindet er mit zwei anderen Obdachlosen, die gerade angekommen sind, in Richtung Tiergarten – Schlafsack und Zelt im Gepäck. PHILIPP IDEL