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Archiv-Artikel

Erstklassiger Affenzirkus

ABSTIEGSKAMPF Der VfB Stuttgart hat den Ligaverbleib nach dem hochverdienten 2:1-Sieg über den HSV in eigener Hand – der hanseatische Dino braucht Schützenhilfe

AUS STUTTGART JÜRGEN LÖHLE

Als alles vorbei war und das glückselig kreischende Stuttgarter Publikum mit Macht versuchte, ihren eigenen Liga-Lärmrekord von 114,5 Dezibel aus dem Spiel gegen Mainz noch einmal zu toppen, drängte sich eine Erkenntnis förmlich auf: der Abstiegskampf des VfB Stuttgart kann tatsächlich richtig sexy sein. Die enthemmte Schwabenschar brüllt in der Lautstärke eines Düsenjets – und es liegen sich Menschen in den Armen, die noch Stunden zuvor erbittert um einen freien Platz im Parkhaus gerungen haben. Der Druck wich jedenfalls nach dem Abpfiff einem Jubelsturm, den man so zuletzt zum Saisonfinale 2007 erlebt hatte. Damals gab es ein 2:1 gegen Cottbus. Und der VfB war Meister.

Jetzt gab es wieder ein 2:1, diesmal über den Hamburger SV, und die Schwaben sind dabei, auf der Zielgeraden der Saison gerade noch mal so dem Abstieg zu entgehen, während Hamburg fremde Hilfe braucht, um doch noch drin zu bleiben. „Das fühlt sich beschissen an“, sagte HSV-Keeper René Adler, mit Abstand bester Hamburger auf dem Platz.

Die Geschichte des Spiels kann Hamburg aber wenig Hoffnung auf das Finale am letzten Spieltag gegen Schalke machen. Ex-VfB-Trainer Bruno Labbadia brachte die Rauten-Kicker zwar zu einem passablen Zwischenhoch – diesmal aber reichte es lediglich zur Führung durch ein Kopfballtor von Gojko Kacar (12. Minute). Christian Gentner (27.) und Martin Harnik (35.) drehten das Ergebnis schnell – von da an spielten die von Serey Dié und Filip Kostic eindrucksvoll angetriebenen Schwaben die harmlosen Hamburger in deren Hälfte schwindelig. Dass es für den HSV ebenfalls ein Abstiegsendspiel war, hat man im mit 60.000 Zuschauern ausverkauften Stuttgarter Stadion nicht wirklich bemerkt. Der VfB hätte deutlich höher gewinnen können, vergab aber auch beste Chancen gegen den starken Adler.

Dafür scheint Huub Stevens zum Ende der Saison doch noch einen Weg gefunden zu haben, aus dem völlig harmlosen Ensemble eine erfolgreiche Mannschaft zu formen. „Man muss Spaß haben“, sagt der Niederländer. Wenn es so einfach wäre. Dabei hatte er vor dem Spiel gegen den HSV seine Mannen noch oberknurrig in den Senkel gestellt. Als die im Training einen gewässerten Rasen haben wollten, nannte er seine Spieler kurzerhand „Affen“. „Habe ich so nicht gesagt“, so Stevens, „nur etwas Harmloses auf Holländisch.“ Es gibt aber eine Filmaufnahme, auf der sich Stevens Gebrüll weniger harmlos anhört. Martin Harnik jedenfalls hat nach seinem Treffer ein Affentänzchen an der Linie aufgeführt, damit war die Sache erledigt. Es scheint geholfen zu haben – vielleicht hätte Labbadia seine Mannen unter der Woche auch tierisch beschimpfen sollen.

Fehleinkäufe? Pah!

Ein wenig Anschiss, garniert mit ein wenig Spaß – vielleicht ist es ja tatsächlich so einfach. Der VfB scheint auf den letzten Drücker die Kurve zu kriegen. Mit verantwortlich dafür sind Filip Kostic und Daniel Ginczek, die seit Wochen stark aufspielen. Dabei galten beide schon als Fehleinkäufe – vor allem Kostic wurde bei seinen anfangs hölzernen Auftritten vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen.

So unklar die sportliche Wiedergeburt des VfB auch ist, die Ausgangslage für das Finale ist eindeutig. Gewinnt Stuttgart in Paderborn, sind sie direkt durch. Ein Unentschieden würde nicht mal zur Relegation reichen, wenn der HSV Schalke schlägt und sich Hannover und Freiburg unentschieden trennen. Aber auch wenn diese Partie einen Sieger hätte, wäre die Chance für die Schwaben auf die Relegation wegen des Torverhältnisses dünn. So müsste entweder Freiburg mit zwei Toren Differenz gewinnen oder Hannover mit satten neun Treffern Unterschied, um den Stuttgartern Schützenhilfe zu leisten, falls sie selbst unentschieden spielen. Kurzum: Stuttgart muss gewinnen, der HSV sowieso. Und selbst das könnte angesichts eines Torverhältnisses von minus 27 für die Hanseaten am Ende nicht reichen. Es sieht also eher nach Dino-Dämmerung aus, als dass der Vorhang im Affentheater zum letzten Mal in Liga eins fällt.