: Deutsche wollen die Welt für 99 Cent retten
FAIRTRADE Kaffee, Bananen, Kakao und Blumen: Der Handel mit fair produzierter Ware wächst hierzulande rasant. Das gilt aber nicht in allen Bereichen. Sorgen bereiten die Textilien. Schweizer geben mehr aus
BERLIN taz | 10 Euro gab jeder Deutsche im letzten Jahr für fair gehandelte Produkte aus. Was sich wenig anhört, ist erstens ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und zweitens so viel wie noch nie. Das gab Dieter Overath, Geschäftsführer von TransFair, am Montag auf der Jahrespressekonferenz in Berlin bekannt. „Der deutsche Fairtrade-Markt ist der dynamischste weltweit“, sagte Overath. „Trotzdem bleiben jede Mende Herausforderungen.“
Vor allem bei den traditionell starken Fairtrade-Produkten Kaffee, Bananen, Kakao und Blumen legte der Absatz im letzten Jahr genau wie in den Vorjahren zweistellig zu. Das hat laut Overath grundsätzlich vor allem zwei Gründe: Zum einen seien die Produkte in den Märkten schlicht präsenter. „Die höhere Kaufbereitschaft ist auch auf ein größeres Angebot zurückzuführen“, sagte Overath. Zum anderen führten Katastrophen in verschiedenen Regionen der Welt dazu, dass die Verbraucher kritischer würden und ihren Konsum umstellten.
Kaffee, nach wie vor Spitzenreiter unter den Fairtrade-Produkten, legte um 18 Prozent auf 13 Tonnen Gesamtabsatz zu. Der Marktanteil liegt damit bei 2,9 Prozent. Einen wesentlichen Anteil an diesem Plus hat laut Overath Aldi Süd: Das Unternehmen führte im letzten Jahr die fair gehandelte Kaffeesorte Tchibo Barista ein.
Von den in Deutschland verkauften Bananen ist knapp jede zehnte fair gehandelt – und jede fair gehandelte Banane ist wiederum bio: „Es gibt in Deutschland keine einzige konventionell produzierte Fairtrade-Banane“, sagte Overath. Das sei ein Problem, da flächendeckende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern nur möglich seien, wenn auch konventionelle Produzenten Fairtrade akzeptieren würden. Insgesamt tragen 79 Prozent der fair gehandelten Waren auch das Bio-Siegel.
Kaum Zuwachs verzeichnet hingegen der Handel mit Fairtrade-Textilien. Zwar arbeitet TransFair an einem eigenen Textilsiegel und will Baumwolle sowie Produktionsstandorte zertifizieren. „Bis zur vollständigen Umsetzung werden aber noch Jahre vergehen“, sagte Overath.
Das liege vor allem an der fehlenden Bereitschaft der Bevölkerung, für die entsprechende Ware auch mehr zu bezahlen. „Die Deutschen wollen die Welt gern für 99 Cent retten. Fairer Handel geht aber nicht zum Nulltarif.“ Zwar sei der Anteil an Fairtrade-Ware in Deutschland so hoch wie noch nie. Dennoch sind die Deutschen vergleichsweise knausrig. Verbraucher in Großbritannien und der Schweiz geben pro Jahr drei- bis viermal so viel für Fairtrade-Produkte aus. Overath sieht deshalb noch großes Potenzial in Deutschland.
RUBEN REHAGE