„Deutsch hat gelitten“

VERSTÄNDIGUNG Die deutsche Sprache steht in der EU eher schlecht da – ein Vortrag über die Ursachen

■ 71, Germanistikprofessor, war lange Mitglied des Internationalen Rats des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim.

taz: Herr Ammon, sind Sie Fundamentalist und sehen Deutsch als die allein seligmachende Sprache?

Ulrich Ammon: Nein. Ich sehe natürlich, dass Englisch weltweit dominant ist – was eng zusammenhängt mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Das beginnt mit dem Ersten Weltkrieg, aber schon vorher hatte das Englische aufgrund der Kolonialisierung eine weit größere Verbreitung. Aber auch die Verbrechen der Nazis haben dazu beigetragen, dass die Stellung des Deutschen stark geschrumpft ist.

Steht Deutsch in der EU wirklich so schlecht da?

Als Arbeitssprache steht das Deutsche schlechter da, als es seinem juristischen Status entspricht. Es ist ja 1993 zu einer der drei Arbeitssprachen der Kommission erklärt worden. Das funktioniert aber fast nicht. Und dies spiegelt weder die Zahl der Sprecher noch die Wirtschaftskraft Deutschlands in der EU.

Aber zeugt es nicht von einer Herrenmenschenmentalität, auf der Aufwertung des Deutschen zu bestehen?

Ich bestehe ja nicht darauf – und wenn es darum ginge, müsste man auch andere der Herrenmenschenmentalität bezichtigen. Spanien etwa hat viele Jahre das EU-Patent blockiert, weil Spanisch nicht dabei war.

Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des EU-Parlaments, fordert, das Englische zur Amtssprache in Deutschland zu machen. Was halten Sie davon?

Das ist ambivalent. Natürlich hätte es für jedes Land gewisse Vorteile, wenn Englisch vorrangige Landessprache wäre. Aber für Deutschland bedeutete das beispielsweise, dass die ganze kulturelle Tradition, die mit Sprache zusammenhängt, in die Brüche ginge. Außerdem hätte es katastrophale soziale Folgen für alle, die Deutsch als Fremdsprache lehren – und das sind Hunderttausende. Abgesehen davon stießen wir unsere vielen Freunde in der Welt, die Deutsch lernen, weil sie unsere Kultur schätzen, vor den Kopf.

Verschwimmt die deutsche Sprache nicht ohnehin durch die vielen – freiwillig eingesetzten – Anglizismen?

Nein. Sie wird zwar bis zu einem gewissen Grad eine Mischsprache, aber sie verschwindet ja nicht. Denn ohne Deutschkenntnisse versteht man auch das mit Anglizismen durchsetzte Deutsch nicht. Aber natürlich zeigt diese Entwicklung, dass die Stellung des Deutschen in der Welt gelitten hat.  INTERVIEW: PS

Vortrag „Die Stellung der deutschen Sprache in der EU“: 18.30 Uhr, Gästehaus der Uni Hamburg, Rothenbaumchaussee 34