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Archiv-Artikel

Keine Spaltung zwischen Eltern und ErzieherInnen

SOLIDARITÄT Viele Eltern werden durch den Streik belastet. Doch die Schuld suchen sie bei den Arbeitgebern und der Politik

„Alle wissen hier, dass die ErzieherInnen nicht gern streiken“

ATTILA GÜMÜS, ELTERNBEIRAT

KÖLN taz | Zwei Drittel der 229 städtischen Kitas in Köln bleiben ab Montag auf unbestimmte Zeit geschlossen – so hat es die Gewerkschaft Verdi angekündigt. 16.000 Kinder sind von den Streiks allein hier betroffen. Doch was tun berufstätige Eltern, wenn die Kitatüren geschlossen bleiben? In Köln haben sich viele Mütter und Väter bereits organisiert. „Einige Eltern haben sich einige Tage Urlaub genommen und können so lange die Betreuung übernehmen“, sagt Attila Gümüs vom Elternbeirat in Köln. „Aber sie machen sich auch Sorgen, was passiert, wenn der Streik sich in die Länge zieht.“

Die Notfallplätze in den Kitas sind begrenzt, die Eltern erfahren oft erst am Freitag, ob ihr Kind untergebracht werden kann. „Wir sind also ohnehin gezwungen, uns einen Plan B zu überlegen“, sagt Nancy Dopplfeld. Die Mutter von zwei Kindern im Alter von drei und vier Jahren arbeitet zusammen mit ihrem Mann bei der Bahn. „Wenn wir keinen Notfallplatz für die Kleinen bekommen, werden wir uns die Schichten aufteilen.“ Mit ihrem Vorgesetzten sei vereinbart, dass die erste Hälfte des Tages ihr Mann zur Arbeit kommt, die zweite Hälfte sie. „Dabei stauen sich Minusstunden an, die wir dann wieder abarbeiten müssen“, sagt Doppelfeld. Bisher haben sie aber großes Verständnis für die ErzieherInnen. Sie ärgert nur, dass der Druck einzig bei den Eltern und nicht bei der Stadt liege. „Die sparen einen Haufen Geld“, meint sie. Noch ist unklar, ob die Eltern für die Zeit des Streiks die Essenkosten erstattet bekommen. Auch ob sie die Betreuungsgebühren wiederbekommen ist umstritten: Die Stadt beharrt darauf, dass die Kosten nur nach einer Mindeststreikdauer von 24 Tagen erstattet werden. Verdi rät dagegen dazu, die Kosten bei der Stadt geltend zu machen.

Die Stadt betont, dass sie nicht in der Pflicht ist, Notfallplätze zu organisieren. „Wir sind auch die Betroffenen. Wir werden bestreikt, wir sitzen mit den Eltern in einem Boot“, sagte eine Sprecherin der Stadt Köln der taz. Eine Hotline zu Fragen der Eltern hat man aber eingerichtet.

Während die Arbeitgeber nicht müde werden, die ErzieherInnen als die Schuldigen für den Streik zu benennen, lassen sich die meisten Eltern davon nicht vereinnahmen. „Alle wissen hier, dass die ErzieherInnen nicht gern streiken“, sagt Gümüs. Der Elternbeirat sieht die Verantwortung für die gescheiterten Verhandlungen bei den Arbeitgebervertretern der Kommunen und bei der Politik. „Es ist ein Unding, dass es so weit kommen musste“, sagt der Elternvertreter. Den Arbeitgebervertretern der Kommunen – und ebenso der Politik – sei seit mindestens fünf Jahren klar, dass die Verhandlungen zur Eingruppierung der ErzieherInnen bevorstehen. „Anstatt diese Zeit zu nutzen und gemeinsam mit den Gewerkschaften intelligente Lösungen zu erarbeiten, setzen sie nun auf Spaltung von Eltern und ErzieherInnen.“

Als besonders dreist empfinden die Eltern, dass die Kommunen damit drohen, mögliche Gehaltssteigerungen auf die Eltern abzuwälzen. „Das widerspricht den Festlegungen des Koalitionsvertrags von NRW, die Kitagebühren abzusenken.“

Die Gewerkschaften hingegen hätten aus dem letzten Streik im Jahr 2009 gelernt: Es soll diesmal keine Streikposten vor den Kitas geben, an denen die ErzieherInnen ihre KollegInnen zur Arbeitsniederlegung auffordern. Aus Rücksicht auf Eltern und Kinder habe man darauf verzichtet. HELKE ELLERSIEK