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Archiv-Artikel

Bald sind die Lager leer

STREIKFOLGEN Die Industrie fürchtet hohe Schäden, weil der Nachschub für die Produktion ausbleibt

BERLIN taz | Der Streik der Lokführer hat sich am Dienstag sehr unterschiedlich ausgewirkt. Während in Regionen wie Brandenburg der Zugverkehr weitgehend stillstand, waren andernorts nach Angaben der Deutschen Bahn (DB) bis zu 70 Prozent der Regionalzüge unterwegs. „Etwa ein Drittel der Fernzüge waren auf dem Gleis“, sagte eine Sprecherin der Bahn. Für Mittwoch kündigte Bahn-Chef Rüdiger Grube einen neuen Lösungsvorschlag an.

Im Güterverkehr sei das Ziel gewesen, die Hälfte der geplanten Züge im Einsatz zu haben. Unklar ist, wie viele wirklich unterwegs waren. „Vor Ort arbeiten wir eng mit den Kunden zusammen“, sagte die Sprecherin. Dringende Lieferungen würden bevorzugt abgefertigt, um Produktionsausfälle abzuwenden.

Der Streik schade dem Wirtschaftsstandort massiv, sagte Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Die Folge sind leere Lager, unterbrochene Wertschöpfungsketten und Produktionsausfälle in zahlreichen Industriebranchen“, sagte er. Vor allem die Branchen Stahl, Auto und Chemie seien betroffen.

Für die Industrie rächt sich, dass sie immer mehr Rohstoffe oder Vorprodukte nicht mehr am Produktionsstandort lagert, sondern bedarfsgerecht liefern lässt. „Just in time“ nennt sich dieses Prinzip, mit dem die Unternehmen Lagerkosten sparen.

Wie hoch der Schaden für die Industrie sein wird, ist noch nicht absehbar. Der BDI rechnet bei einem einwöchigen Streik der Lokführer mit einem Schaden von mehreren 100 Millionen Euro für Unternehmen. Der Verband beruft sich auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft Köln. Danach können Unternehmen einen kurzen Bahnstreik abfedern. Aber ab dem vierten Tag wird der Ausstand teuer – er koste mehr als 100 Millionen Euro pro Tag, heißt es. Würden Betriebe alle zur Verfügung stehenden Alternativen nutzen und sich gut vorbereiten, würde nach Berechnungen des Instituts der Schaden ab dem vierten Streiktag bei 50 Millionen Euro liegen.

Der größte Kunde der Bahn im Güterverkehr ist die Stahlbranche, die auf der Schiene täglich 200.000 Tonnen Stahl und Rohstoffe transportieren lässt. Das sind mehr als 50 Prozent der gesamten Transporte der Branche.

Beim größten deutschen Stahlproduzent ThyssenKrupp Steel war am Dienstag noch alles im grünen Bereich. „Aber je länger der Streik dauert, desto schwieriger wird es“, sagte ein Sprecher. Kohle und Erze bezieht ThyssenKrupp per Schiff, eine eigene Werksbahn übernimmt Transporte innerhalb der Produktionsstätten. Problematisch ist der Austausch von Vorprodukten zwischen den Werksstandorten, etwa von Duisburg nach Bochum, der per Bahn erfolgt. Die Auslieferung an Kunden dagegen sei weitestgehend gewährleistet. ANJA KRÜGER