Verbale Kraftmeiereien zur bisherigen Flüchtlingspolitik

EUROPA Die EU-Kommission und das EU-Parlament kritisieren die Ergebnisse des EU-Gipfels scharf

Die „Betroffenheitslyrik“ der Regierungschefs löst das Problem nicht, sagt Juncker

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

„Unzureichend“, „beschämend“, „Feigenblatt“: Das Europaparlament und die EU-Kommission haben die Ergebnisse des EU-Flüchtlingsgipfels aus der vergangenen Woche in der Luft zerrissen. Die Abgeordneten sprachen sich für die flächenmäßige Ausweitung der europäischen Seenotrettung im Mittelmeer und für verbindliche Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder aus.

Überraschend deutlich äußerte sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Als die ersten Meldungen über die Schiffsunglücke mit Hunderten Toten bekannt wurden, hatte Juncker noch geschwiegen. Auch beim EU-Gipfel hielt er sich bedeckt. Umso härter teilte der Luxemburger nun bei der Sitzung des Parlaments in Straßburg aus.

Die „Betroffenheitslyrik“ der Staats- und Regierungschefs löse das Problem nicht, so Juncker. Auch die angekündigte Verdreifachung der Mittel für die Operation „Triton“ sei unzureichend. Die EU müsse mehr für die Seenotrettung, aber auch für die Aufnahme der Flüchtlinge tun. „Wir schlagen am 13. Mai ein System der Neuansiedlung der Flüchtlinge in der gesamten Europäischen Union vor“, kündigte der Kommissionschef an. An diesem Tag will die Brüsseler Behörde ihr schon lange geplantes Maßnahmenpaket zur Migrationspolitik vorlegen. Einige Vorschläge waren vorgezogen worden, andere sollen nun im Mai folgen.

Auch die Schaffung legaler Zugangswege in die EU steht auf dem Programm. „Wenn wir nicht die Eingangstür öffnen, und sei es nur ein bisschen, dann dürfen wir nicht darüber überrascht sein, dass die Unglücklichen dieser Welt die Türen einrennen“, warnte Juncker. Die EU müsse sich „dringend“ mit der legalen Migration beschäftigen. Genau das fordert das Europaparlament seit Jahren – vergeblich. Juncker war daher lang anhaltender Beifall sicher. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) forderte die EU-Regierungen auf, dem Parlament in der Debatte um die Flüchtlingskrise endlich mehr Gehör zu schenken.

Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit sei Einwanderung in großem Stil nicht möglich, wendet dagegen der christdemokratische Fraktionschef Manfred Weber ein. Ganz anders die Grünen: „Wir brauchen humanitäre Visa und die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus den Nachbarländern Syriens“, so die Abgeordnete Ska Keller. Es sei eine „Schande“, dass die EU-Staaten nur ein Zehntel der benötigten Plätze bereitstellten.