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Archiv-Artikel

Whirlpool der Stile

Im Herzen von Kreuzberg 36 liegt der 33rpm Store. Das Geschäft ist benannt nach der Geschwindigkeit, mit der sich ein Vinyl-Album auf dem Plattenteller dreht, und wirbt damit, der einzige Plattenladen Berlins mit Whirlpool zu sein. Das mit dem Whirlpool muss man nicht glauben, aber dafür wissen, dass 33rpm-Besitzer Adem Mahmutogludort ein denkbar weit gefächertes, bestenfalls durch den kleinsten gemeinsamen Nenner Groove zusammengehaltenes Angebot vorhält

Neben dem Laden, mit dem der Deutschtürke vor fünf Jahren aus dem heimatlichen Bremerhaven nach Berlin umzog, betreibt Mahmutoglu noch ein Label, das ebenfalls 33rpm heißt, er produziert und remixt und macht unter dem Pseudonym Jeff Özdemir selbst Musik. Dass die ein ähnlich breites Spektrum besitzt, wie man es in seinem Laden vorfindet, zeigt nun das Album „Jeff Özdemir & Friends“. Auf dem finden sich Tracks seiner Band Faruk Green, Kooperationen mit Lee Buddah oder Elyas Khan, immer neue Formationen in wechselnden Besetzungen und so verwirrend viele Projekte, dass man nie sicher sein kann, dass sich Özdemir nicht auch noch hinter einem anderen, noch obskureren Namen verbirgt. Aber egal, denn die Irritation setzt sich auch musikalisch fort: Wundervoll warmer Jazz-Rock steht neben glücklich glucksendem Afro-Pop, Spoken Word über bröckelnden Elektro-Beats neben entspannt puckerndem Minimal, beseelter Sixties-Pop neben düster dräuenden Drones. Ein Whirlpool der Stile, und man könnte jetzt sagen: Da hat sich aber einer böse verzettelt. Aber jedes einzelne der 19 Stücke ist gut genug, dass man hofft, es möge niemals ein Mittel gefunden werden, mit dem das musikalische ADS von Jeff Özdemir geheilt werden könnte.

Auch nicht eben eintönig, aber doch vergleichsweise übersichtlich ist das, was Bassa auf „Tango Azul“ versuchen. Wie der Titel verrät, spielen sie Tango. Doch das argentinische Nationaldenkmal wird so gekonnt durch die Jazzmangel gedreht und mit Ideen aus aller Welt verunreinigt, dass von der grundsätzlichen Idee mitunter nur mehr die melancholische Stimmung übrig bleibt. Ein Experiment, das schlussendlich zwar trotzdem keine wirklich überraschenden Ergebnisse hervorbringt, aber in seiner Konsequenz ein wohliges Gefühl der Sicherheit verbreitet. Aber dafür halt auch nicht so sexy ist wie ein Whirlpool. THOMAS WINKLER

■ V. A.: „Jeff Özdemir & Friends“ (Karaoke Kalk/Indigo), 30. 4. RR Party im Roten Salon

■ Bassa: „Tango Azul“ (Flowfish/ Broken Silence), 3. 5. Record Release Konzert im Roten Salon