DAS DETAIL : Der Terrorist
Er ist klein. Und macht sich gern groß. Er hat eine Aufgabe. Eine Mission. Jeder Satz ein Ereignis, in jeder Kurve eine Pause, an jeder Ecke eine Pointe. Der Punkt hat schwer zu tun. Er hat zwar noch zwei Spießgesellen, Gedankenstrich und Doppelpunkt, die ihm bei seinem schurkischen Tun assistieren, aber die Tat vollenden muss er, immer wieder.
Nur ein kurzer Satz ist ein guter Satz, ist die Flagge, die er auf seinem Feldzug trägt, und er ist es, der „Halt! Stehen bleiben!“ brüllt, bevor es weitergeht. Komma und Semikolon, diese sozialdemokratischen Weicheier, hat er ausgemustert. Abschließen, Nachdruck verleihen, unantastbar machen, nicht weniger hat sich der Punkt vorgenommen. Er setzt die Steine. Erwischt hat es schon viele, am schlimmsten aber James Ellroy. In seinem Roman „Ein amerikanischer Albtraum“ von 2001 trieb es der Großmeister des Hard-boiled-Krimis bis zum Exzess. „Er bibberte. Die Hände zuckten. Er zerriss das Foto. Er ließ die Akten fallen. Sein Stuhl rutschte weg. Er fiel zu Boden. Er sah Wandkabel.“ Über 800 Seiten lang geht das so, 800 Seiten nichts als Rhythmus, 800 Seiten Terror, 800 Seiten Stress. Inzwischen hat sich Ellroy erholt, die Schreckensherrschaft des Punkts scheint zu bröckeln, es gibt Hoffnung für das Fließen.
Aber vorbei ist es noch nicht, auf seinem Rückzug versucht sich der Punkt woanders einzunisten, als Hippness getarnt etwa in der taz.am wochenende, und in jeder Redaktion findet sich wohl noch ein Krieger, der einen Einstiegssatz wie: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet“, in Stücke hacken würde. STEFAN MAHLKE