antisemitismus : Sich nicht zerreiben lassen
Die Anschläge in Istanbul fordern auch die hiesige Zivilgesellschaft heraus. In Berlin lebt die größte Community mit türkischen Wurzeln außerhalb der Türkei. Sie muss Position beziehen, will sie sich nicht zwischen dem islamisch-fundamentalistischen Terror und den Bush-Blair-Strategien zerreiben lassen.
Kommentar von WALTRAUD SCHWAB
Es ist nicht neu, dass einzelne BerlinerInnen türkischer Herkunft auf die rassistischen, antisemitischen, aber auch frauenverachtenden Tendenzen in der eigenen Community verweisen. Neu ist, dass dies plötzlich wahrgenommen wird, weil sich nun erstmals ein Bündnis türkischstämmiger DemokratInnen gebildet hat, das sich gegen die antisemitischen Strömungen in der eigenen Gemeinde wendet.
Muslimische MigrantInnen in Berlin haben nach den Anschlägen auf das World Trade Center vor der Frontenbildung gewarnt, die entsteht, wenn kriegbefürwortenden Politikern das Terrain überlassen wird. Ihr Plädoyer lautete stattdessen: Die westlichen Regierungen müssen alles dafür tun, Israel zu befrieden. So nähmen sie ein Teil des Drucks von den Muslimen, sich als Opfer und Ausgegrenzte, mal unter den Christen hier, mal unter den Juden dort, zu sehen. Dazu ist es nicht gekommen. Im Gegenteil. Die Kriege in Afghanistan und dem Irak, haben dazu geführt, dass selbst laizistische MigrantInnen in Berlin sich in die muslimische Ecke gedrängt fühlten.
Viel Zeit ist mit solchen Ihr-Wir-Polaritäten statt mit Vertrauensbildung vertan worden. Es soll in der Stadt Moscheen geben, in denen der Hass gegen Christen und Juden gepredigt wird. Justiz und Polizei sehen sich kaum imstande, einzugreifen. Ohnehin setzte das voraus, dass man davon Kenntnis erlangt. Dafür braucht es Vermittler, die bereit sind, als Kritiker der eigenen Community aufzutreten, wie es das Bündnis nun tut. Wenn schon einzelne Warner nicht unterstützt wurden, wird es nun höchste Zeit, wenigstens das Bündnis nicht als Bestätigung der eigenen Politik, sondern als Aufforderung zur Zusammenarbeit zu verstehen.