: Du lieber Himmel!
FLIEGENDE KISTEN Mehr als ein Kribbeln im Bauch werden Beschenkte spüren, die mit Rosinenbombern oder Ballons in die Luft gehen
VON JANET WEISHART
Überraschungen zu Weihnachten müssen sein. Als Karin Thoma ihrem Mann Werner voriges Jahr einen Gutschein mit den Worten überreichte: „Sie ist etwas füllig, aber du wirst sie sexy finden!“, wurde er schon blass. Als er zwei Wochen später auf die Lady, eine Douglas DC-3 des Air Service Berlin traf, war er erleichtert. Denn einen Flug mit dem „Rosinenbomber“ hatte sich der 48-jährige Sachse schon immer gewünscht. Der 179-Euro-Gutschein für das englische Original aus dem Jahr 1944, das 1948 bis 1949 für Westberliner Lebensmittel und vermutlich auch Rosinen abwarf, war gut investiert. Werner schwärmte. Ihm gefiel nicht nur der Höhenflug, sondern eine ganze Show, die das Unternehmen bietet: Mitarbeiter in historischen Uniformen begrüßen die maximal 25 Fluggäste mit Sekt, dann ein Film zur Luftbrücke, später der Flug, mit 300 „Sachen“ auf 2.000 Fuß, etwa 35 Minuten in 600 Meter.
Der Sprecher des Air Service Berlin, Holger Trocha, erlebt viele begeisterte Gäste. „Neulich saß ich neben einer Dame, die als Mädchen jene Pakete auffing. Gerührt erlebte sie den Flug auf der einstigen Alliierten-Route“, erzählt Trocha. Er empfiehlt auch einen Flug mit dem Wasserflugzeug, eine Cessna 206. Am Spreeufer zwischen Plänterwald und Treptower Park geht es nach einem Mutschlückchen Schampus mit sanftem Take-off in die Luft. Für 189 Euro tuckern Mitflieger 25 Minuten zum Olympiastadion und sogar übers Brandenburger Tor in Mitte. Noch unsicher bei der Wahl?
Schauspieler Tom Cruise wusste genau, was er sich beim Berlin-Besuch gönnen wollte: einen Oldtimerflug mit einer Boing Stearman, Baujahr 1941. Die Tempelhof Aviators bieten Oldtimer-Erlebnisse an. Mit einer Antonow AN2, dem größten Doppeldecker der Welt, können Geschichtsfreaks ab Berlin-Tegel über der Innenstadt kreisen (ab 99 Euro). Für alle, die mehr Adrenalin brauchen, gibt es bei der Flugschule Hans Grade den Motorkunstflug-Gutschein (199,80 Euro) inklusive Rückenflug und Trudeln über Schönhagen.
Die Auswahl ist groß: Etwa 20 Unternehmen offerieren derzeit über Berlin „Airlebnisse“ mit fliegenden Kisten. Preisvergleiche lohnen sich. Air Tempelhof bietet kleine Rundflüge mit der Cessna 172 schon ab 51,67 Euro, mit dem Hubschrauber ab 109,50 Euro pro Person. Auch für das beliebte Geschenk „Einen Tag Pilot sein“, bei dem der Beschenkte etwa eine Cessna eine Stunde unter Kontrolle selbst steuert, gibt es Preisspannen von 218 bis 350 Euro. Über dem Berliner Umland in die Luft zu gehen, ist übrigens oft günstiger.
Wer ohne Kerosin und Schnickschnack schweben möchte, der ist beispielsweise bei der Lukas Baders Flugschule richtig. Der Schwabe und Wahlberliner fliegt seit 20 Jahren Drachen, derzeit als Wettkampfsportler. Wer mag, kann mit ihm vom Flugplatz Saarmund per Tandemflug im Drachen (90 Euro) oder mit Gleitschirm (60 Euro) die dritte Dimension erobern.
Dass Beschenkte oft angstfrei sind, liegt laut Bader daran, dass viele schon vorher vom Fliegen geträumt haben. Wer auf den Geschmack kommt – ein Gleitschirm-Grundkurs kostet 320 Euro. „Schon nach sieben Tagen können die meisten allein gleiten“, berichtet Bader. „Was keine Sache des Alters, Geschlechts oder Mutes ist, sondern des Willens.“ Das kann Fallschirmsprung-Lehrer Ronald Jäckel bestätigen. „Ich hatte schon einen 77-jährigen Opa als Springer“, erzählt der gebürtige Berliner, der seit Sandkastenzeiten Fallschirmspringer und Taucher werden wollte. Jäckel, Inhaber der Sky Inn Fallschirmsport-Schule, ist weithin bekannt: „In den 1960ern durfte ich als einziger Westberliner mit Genehmigung der Alliierten springen.“ Für 155 Euro nimmt er im Tandem gern „Springwillige“ mit.
Ein Berliner Original ist auch Gerhard Graßl, der das Ballonfahren in der Schweiz lernte. Was als Kindheitstraum reifte, ist heute seine Passion. Er hebt im Fläming für 180 Euro ab, werktags bereits für 159 Euro pro Person – inklusive Adelstitel. Graßl: „Ludwig der XVI. ließ, nachdem ihm die Brüder Montgolfier im Jahr 1783 das Ballonfahren gezeigt hatten, nur Adelige in Ballons steigen. Um das zu wahren, bekommen Mitfahrer historisch korrekt einen Adelstitel und ein Glas Champagner.“ Viele Gäste staunen, wie Graßl die bis zu 27 Meter hohen Ballons in seinen kleinen Hänger bekommt. „Oben dann, sind sie berauscht, weil der Ballon nicht steuerbar ist, weil nichts vorherbestimmt ist“, sagt er.