: „Ich bin eine Grenzgängerin“
ADELHEID ARNDT Nach drei Bundesfilmpreisen wurde eine Kinderserie ihr größter Erfolg: „Siebenstein“. Heute engagiert sie sich für Behinderte – wie ihre Tochter
Nein, zuversichtlich sei sie nicht gewesen, 1973, bei der Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule. Zehn aus 300 Bewerbern – warum sollte gerade sie dabei sein?
Heute kann man sich die Zweifel schwer vorstellen. Selbstbewusst, freundlich, in sich ruhend begegnet einem Adelheid Arndt. 1976 begann sie am Berliner Grips-Theater, schon in den folgenden Jahren gewann sie für „Der Mädchenkrieg“ und „1+1=3“ zwei Bundesfilmpreise, jeweils in der Rolle einer Frau zwischen zwei Männern. Zahlreiche Film-, Fernseh- und Theaterengagements folgten, noch bis 2006 arbeitete die heute 57-Jährige am Wiener Schauspielhaus.
„Meine große Liebe war das Fernsehen nie. Meine große Liebe ist das Kino“, sagt Arndt. Ihre wohl bekannteste Rolle spielte sie dennoch in einer Kinderfernsehserie, und wieder war sie eine Frau zwischen zwei, nun ja, männlichen Wesen: 16 Jahre, bis 2003, war Arndt die Trödelladenbesitzerin Frau Siebenstein, die mit dem Raben Rudi und einem grantigen Koffer zusammenlebt.
Dabei hatte Arndt stets den Anspruch, über ihre Texte und die Themen der Sendung mitentscheiden zu können, für sie sind Schauspieler mehr als die Sprechpuppen der Regie. „Ich habe mich immer in alles eingemischt“, sagt sie. „Damit macht man sich nicht unbedingt beliebt. Aber das ist der Grund, warum die Dinge gut werden.“
Heute lebt sie in Zürich – neben Berlin und Wien eine der drei Städte, die sie als Zuhause bezeichnet –, und zumindest im Moment stehen andere Dinge als die Schauspielerei im Vordergrund. Sie stellt Texte für eigene Lesungen zusammen, etwa über den Maler George Grosz. Vor kurzem hat sie ihre erste Gala moderiert. Arndts wichtigste, erste Aufgabe ist aber Jag Suisse, ein von ihr mitbegründetes Projekt, das Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben mit Assistenz – nicht Betreuung, wie sie betont – ermöglichen will. Nicht zuletzt ein persönliches Anliegen, denn Arndts 25-jährige Tochter sitzt im Rollstuhl und hat eine Sprachbehinderung – „aber sie kann selbst denken und selbst entscheiden“.
Für Jag Suisse agiert sie als Botschafterin für Außenseiter. „Manchmal glaube ich, dass ich deshalb Schauspielerin geworden bin“, sagt sie. „Weil ich mich selbst auch immer als Grenzgängerin gefühlt habe.“ Michael Brake