KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE ZU GAUCKS ÄUSSERUNGEN ÜBER ROT-ROT-GRÜN IN THÜRINGEN : Botschaft vom Feldherrenhügel
Wenn sich der Bundespräsident in Parteipolitik einmischt, muss er einen triftigen Grund haben. Ist also die Demokratie in Gefahr, wenn Bodo Ramelow in Erfurt Ministerpräsident wird? Keineswegs. Das ist nach 25 Jahren CDU-Regierung ein normaler politischer Wechsel. Doch Joachim Gauck ist offenbar der Ansicht, dass die Linkspartei noch immer unter Generalverdacht zu stellen ist – obwohl sie seit 13 Jahren in ostdeutschen Ländern ordentlich und unspektakulär mitregiert. Faktisch interveniert das Staatsoberhaupt damit für eine Verlängerung der CDU-Regentschaft in Thüringen.
Das ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten. Das Linkspartei-Bashing kommt zudem vom Feldherrenhügel. Dass SPD und Grüne, beide aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR hervorgegangen, Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen wollen, zählt nicht. Auch dass sich die Linkspartei dazu durchgerungen hat, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen, spielt keine Rolle. Auf dem Feldherrenhügel weiß man sich im Besitz höherer historischer Moral.
Vor zehn Jahren koalierte die CDU in Hamburg mit der Schill-Partei, einem wirren Haufen von Rechtspopulisten. Damals konnte man sich, wenn man ängstlich veranlagt war, um die Demokratie sorgen, jedenfalls mit besseren Argumenten als 2014 in Thüringen. Johannes Rau hat sich damals keineswegs dazu verleiten lassen, vor der Schill-Partei zu warnen. Warum? Weil Parteipolitik und Koalitionsverhandlungen in den Ländern zu kommentieren nicht der Job des Bundespräsidenten ist. Rau wusste das. Gauck hingegen, nicht frei von Hybris, hält sich für allzuständig.
Die Linkspartei im Osten ist keine verpuppte totalitäre Bedrohung. Das begreift jeder, der sich einigermaßen frei von ideologischen Scheuklappen das Personal, das Programm und politische Praxis der Linkspartei im Osten anschaut. Die CDU, die eine wenig ruhmreiche Vergangenheit als Blockpartei hat, benutzt solche Klischees, wenn ihr nichts anderes mehr einfällt. Dass der Bundespräsident nun in das gleiche Horn tutet, ist peinlich.
Und etwas mehr. Rot-Rot-Grün in Erfurt ist das Ergebnis eines langwierigen, mit Basisbefragungen abgesicherten politischen Prozesses. Doch ob Rot-Rot-Grün regieren wird, hängt an der äußerst knappen Mehrheit von einer Stimme. Der Bundespräsident hat mögliche Dissidenten im Thüringen Landtag schon mal moralisch ermutigt, Rot-Rot-Grün hinterrücks zu verhindern. Das ist Dienst an der Demokratie à la Gauck.