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Archiv-Artikel

Großes Glück mit dem Sprecherensemble

HÖRBÜCHER Franz Xaver Kroetz suhlt sich in der Rolle des gealterten Schriftstellers, Peter Frankenfeld entfaltet gestelzten Charme, Johann von Bülow errichtet staubverkrustete Westernstädte

John Williams’ „Stoner“ ist eine große Wiederentdeckung. Logisch, dass weitere Werke folgen

Die Teilnahme an einem Mentorenprogramm kann beflügelnd wirken, wenn sich Mentor und Schützling auf Augenhöhe in den Dienst einer Sache stellen und Eitelkeiten außen vor lassen; gegenseitig empfundene Sympathie dürfte auch nicht schaden. Doch das ist gar nicht so einfach, zumal im Literaturbetrieb, in dem die Egos groß sind und die Gabe, mit Kritik umzugehen, klein ist. Daniel Kehlmann, dessen Figuren regelmäßig auf einem selbst errichteten Scheiterhaufen der Verblendung landen, hat mit seinem „Mentor“ ein vergnüglich schonungsloses Drama über ein komplett missglücktes Mentoring verfasst. Für die Hörspielfassung hat er den Text selbst bearbeitet, und mit dem Sprecherensemble hat er großes Glück.

Franz Xaver Kroetz suhlt sich förmlich in seiner Rolle des gealterten Schriftstellers Benjamin Rubin, dessen Ruhm sich aus einem frühen Text speist, den er fürderhin selbst kopiert hat. Seither gibt er nur noch Nichtigkeiten von sich, braucht Geld und steht deshalb widerwillig als Mentor zur Verfügung. Christoph Bach macht die Entwicklung des Nachwuchsautors, der seinen Text nicht als verbesserungswürdig empfindet und sich auch nur des Geldes wegen auf die fünftägige Klausur eingelassen hat, zum verzweifelten, vor den Trümmern seines privaten wie beruflichen Lebens stehenden Wichts plastisch nachvollziehbar.

Peinliche Berührtheit

Ilja Richter hat als Stiftungsmitglied die gegnerischen Lager bei Laune zu halten und legt dabei eine peinliche Berührtheit an den Tag, die die Frage aufwirft, wo sich sinnvolle Subvention in ihr Gegenteil verkehrt. So vergeht die Hörspielstunde wie im Fluge, leider fehlt ein Booklet, das in angemessener Weise einen Überblick über die literarische und dramatische Arbeit von Kehlmann und Kroetz gibt (DAV, 14,99 Euro, 1 CD, Laufzeit ca. 57 Min.).

Im Voraus zum hundertsten Geburtstag von Arthur Miller im Oktober dieses Jahres werden wir mit einer Hörspieledition beschenkt. Darin enthalten sind Millers nach wie vor aktuelle Jahrhundertwerke „Der Tod des [sic] Handlungsreisenden“ (1950) und „Hexenjagd“ (1954), spätere Dramen wie „Clara“ (1990) und „Mister Peters’ Verbindungen“ (2001) sowie der Ausschnitt aus einer Autorenlesung von „Death of a Salesman“ von 1958. Die acht allesamt brillant produzierten Hörspiele nehmen einen mit auf eine klug kommentierte Reise durch die Gesellschaftsgeschichte des letzten Jahrhunderts. Und werfen ganz nebenbei ein Schlaglicht auf fünfzig Jahre Hörspielgeschichte, große Stimmen wie die von Erich Ponto, Peter Frankenfeld, Marlene Riphahn, Hans Paetsch oder Peter Fricke inklusive.

Wo sich in den früheren Aufnahmen durch eine etwas gestelzte Theatralität ein eigener Charme entfaltet, bezirzen die neuen Aufnahmen mit zurückgenommener Eleganz. Die kurze Zeittafel im Booklet verknüpft Millers Schaffen und Leben, und in dem gekürzt abgedruckten Essay „ ‚Hexenjagd‘ in der Geschichte“ macht sich Miller erhellende Gedanken über die Analogie zwischen den Hexenverfolgungen der 1690er und der Kommunistenhatz der 1950er hinaus (Der Hörverlag, 39,99 Euro, 11 CDs, Laufzeit 620 Min.).

Vor gut einem Jahr war John Williams’ „Stoner“ von 1965 die große literarische Wiederentdeckung; logisch, dass weitere Werke des texanischen Literaturprofessors folgen. Williams’ erster Roman, „Butcher’s Crossing“, ist ein Antiwestern, erschienen 1960. Mit einer klaren Sprache und punktgenauen Beschreibungen gelingt es Williams, in wenigen Sätzen eine staubverkrustete Stadt im Kansas von 1870 zu errichten; das zieht selbst Westerngegner in den Bann.

Und dem Schauspieler Johann von Bülow gelingt es, den psychologischen Kosmos des Harvard-Studienabbrechers Will Andrews spürbar zu machen, der sich im Wilden Westen auf der Suche nach sich selbst Büffeljägern anschließt. Unaufgeregt drückt von Bülow den Figuren einen charakteristischen Stempel auf. Bedauerlich, dass die Lesung gekürzt ist. Und unnötig der Verweis des Verlags auf die „kongeniale Lesung“, denn zu solch einem Urteil möchte man als Hörerin doch lieber in Eigenregie kommen (Der Audio-Verlag, 24,99 Euro, 7 CDs, Laufzeit ca. 538 Min.) SYLVIA PRAHL