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Archiv-Artikel

„Fluch der guten Tat“

TRAINERWECHSEL I Jürgen Klopp löst seinen Vertrag bei Borussia Dortmund vorzeitig zum Saisonende auf. Im Verein herrscht Begräbnisstimmung. Über den möglichen Nachfolger will man derzeit noch nicht sprechen

BVB – HSV 1:14

TRAINERWECHSELBorussia Dortmund (2008–2015) noch unbekannt 1. 7. 2015 Jürgen Klopp 1. 7. 2008 Hamburger SV (2008–2015) Bruno Labbadia 15. 4. 2015 Peter Knäbel 22. 3. 2015 Joe Zinnbauer 16. 9. 2014 Mirko Slomka 17. 2. 2014 Bert van Marwijk 25. 9. 2013 Rodolfo Cardoso 17. 9. 2013 Thorsten Fink 17. 10. 2011 Frank Arnesen 10. 10. 2011 Rodolfo Cardoso 19. 9. 2011 Michael Oenning 13. 3. 2011 Armin Veh 1. 7. 2010 Ricardo Moniz 26. 4. 2010 Bruno Labbadia 1. 7. 2009 Martin Jol 1. 7. 2008

VON JOHANNES KOPP

Borussia Dortmund hatte das Gerücht noch gar nicht bestätigt, da stürzte die BVB-Aktie bereits in den Keller. Wertverluste um rund 4,5 Prozent wurden am Mittwoch gegen 12 Uhr Mittag vermeldet. Dabei wurde die große Neuigkeit über die Nachrichtenagenturen noch im Konjunktiv formuliert: „Jürgen Klopp soll nach Informationen von „bild.de“ Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund um Auflösung seines Vertrages gebeten haben.“ Eigentlich wäre der Coach noch drei Jahre an den Verein gebunden gewesen.

Auf der Pressekonferenz um 13.30 Uhr machte dann Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die vorzeitige Trennung mit sehr brüchiger Stimme offiziell. Auf Initiative von Jürgen Klopp, betonte Watzke, habe man sich zuletzt zu einigen Gesprächen getroffen. Man habe dann die Entscheidung getroffen, dass der Weg, den man sieben Jahre gemeinsam sehr erfolgreich bestritten habe, im Sommer zu Ende ist. „Das hat uns, den Jürgen, Michael (Zorc, Sportdirektor) und mich sehr angefasst.“ Watzkes emotinales Statement kam einer Begräbnisrede gleich. Am Ende nahm er Klopp unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen bleischwer in den Arm.

Als der Vizemeister im Dezember überraschend auf einem Abstiegsplatz überwintern musste, gab es bereits die ersten Spekulationen, Klopp könnte sich freiwillig zurückziehen und einem anderen Trainer Platz machen. Aber der Coach betonte damals noch: „Ich werde die Brocken auf keinen Fall hinschmeißen.“ Nachdem er sich nun mit dem Klub aus der Gefahrenzone herausgearbeitet hat und zudem der DFB-Pokalsieg im Berliner Olympiastadion noch möglich ist, war der Rahmen für einen würdigen Abschied gegeben.

Klopp sparte wie Watzke nicht mit Pathos, als er die Gründe seiner Entscheidung darlegte. Er sei zu der Erkenntnis gekommen, dass nach den vielen guten Jahren eine Veränderung hermüsse. „Weniger für mich als für den Verein.“ Er habe stets versprochen, sich zu melden, wenn er das Gefühl habe, nicht mehr der richtige Trainer für den Klub zu sein. Doch woran erkennt man das? Klopp antwortete: „Es fängt schon damit an, dass man sich diese Frage immer öfter stellt.“ Und er habe die Frage zuletzt nicht mehr mit Ja beantworten können. Mit der aktuellen sportlichen Situation aber hätten diese Zweifel nichts zu tun gehabt, hob der 47-Jährige hervor.

Jürgen Klopp betrachtet seine Entscheidung als Folge eines längeren Prozesses. Der Name „Klopp“ sei mit den Jahren im Verein ziemlich groß geworden und der eigentlichen Bedeutung nicht mehr gerecht gewesen. Es bestünde die Gefahr, dass dadurch auch Entwicklungen blockiert werden. „Der Verein wird immer größer sein als wir alle.“ Ein Abgang voller Demut, könnte man meinen. Aber so ganz konnte Klopp den eingeschlagenen Weg auch nicht halten. Er erklärte seinen Abschied zugleich auch als einen „Fluch der guten Tat“.

Fragen zum Nachfolger von Jürgen Klopp wollte der Verein an diesem Tag nicht beantworten. Das gebiete der Respekt vor dem „großartigen Trainer“, hieß es. Gemutmaßt wird derweil längst, dass Thomas Tuchel nach Dortmund kommen wird. Dass er den Hamburger SV bei dessen Trainersuche hinhielt, kann man als weiteres Indiz für diese Lösung werten. Beim BVB räumte man unterdessen ein, man sei durch Medienberichte vorzeitig zur Bekanntgabe der Vertragsauflösung mit Klopp gezwungen worden.

„Einen letzten Traum“, bekannte Klopp in Anspielung auf den DFB-Pokal, „habe ich noch mit der Borussia. Ich will noch einmal mit dem Lastwagen um den Borsigplatz fahren. Das wäre ziemlich lässig.“ Von Lässigkeit war man an diesem Mittwoch bei Borussia Dortmund jedoch so weit entfernt wie schon sehr lange nicht mehr. Hölzern erklärte Hans-Joachim Watzke: „Jürgen, du kannst dir sicher sein, dass dir der ewige Dank aller Borussen zuteilwird.“ Klopp erinnerte indes an das Spiel am Samstag gegen Paderborn. Für Abschiedsreden sei es noch zu früh.