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Archiv-Artikel

Ein Elfmeter reicht zum Glück

JUBEL Nach dem 1:0-Sieg gegen Mainz schickt Holstein Kiel sich an, nach 34 Jahren in den zweitklassigen Fußball zurückkehren. Matchwinner war aber ausgerechnet einer, der die Mannschaft verlassen wird

Rafael Kazior könnte sogar als Drittliga-Meister nach Bremen gehen

Als Rafael Kazior nach 73 Minuten zur Seitenlinie trabte, um sich von seinem Trainer Karsten Neitzel auswechseln zu lassen, hatten die Fans von Holstein Kiel ihrem Kapitän den angekündigten Vereinswechsel längst vergeben. Der Offensivspieler hatte seine Mannschaft am Samstag im Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 II mit seinem verwandelten Foulelfmeter zum 1:0 (43. Minute) in die richtige Spur gebracht. Knapp 20 Minuten nach seiner Auswechslung war er mit dem Schlusspfiff unter dem Jubel der 7.094 Zuschauer vollends zum Matchwinner geworden. Ausgerechnet er.

Ende März hatte der 32-Jährige verkündet, die Kieler zum Saisonende verlassen zu wollen und damit bei den Fans für Verwunderung und Enttäuschung gesorgt. Er wird zu Werder Bremen wechseln – nicht ins Bundesliga-Team, sondern in die zweite Mannschaft, die sich in der viertklassigen Regionalliga Nord derzeit mit Mannschaften wie dem BSV SW Rehden, dem Goslarer SC und dem VfR Neumünster misst. Und es ist nicht klar, ob Werders zweite Mannschaft den angestrebten Sprung in die Dritte Liga schaffen wird und Kazior so sein derzeitiges sportliches Umfeld behalten könnte.

Dabei sehen die sportlichen Aussichten von Holstein Kiel derzeit glänzend aus. Die Mannschaft schickt sich an, nach 34 Jahren in die Zweitklassigkeit zurückzukehren. Was wäre das für eine Fußballwelt für Kazior gewesen – mit möglichen Spielen gegen den HSV oder den VfB Stuttgart, die in der ersten Bundesliga momentan vor dem Abstieg stehen. Und mit Partien in Düsseldorf, bei Union Berlin oder gegen den FC St. Pauli, sofern die Braun-Weißen trotz des jüngsten 0:3 in Karlsruhe den Klassenerhalt schaffen sollten.

Holstein Kiels Noch-Kapitän Kazior blickte bei seiner Zukunftsplanung aber weiter voraus. Bei Werder kann der Übergang vom Führungsspieler der zweiten Mannschaft in die Trainerriege ein recht nahtloser sein: So wird deren derzeitiger Kapitän und ehemaliger Profi vom FC St. Pauli, Florian Bruns, nach dieser Saison Co-Trainer des Teams. Und Kazior wird dann jene Rolle ausfüllen, die Bruns derzeit innehat.

„Ich hoffe, mir in Bremen eine Perspektive für die Zeit nach meiner aktiven Karriere erarbeiten zu können. Diese Möglichkeit wurde mir auch in Kiel eröffnet, doch Werder ist halt eine Top-Adresse in Deutschland“, hatte Kazior den Kieler Nachrichten vor ein paar Wochen gesagt. Die Vertragsunterzeichnung sei „eine Art Befreiung gewesen, zu wissen, was in meinem Alter jetzt kommt“.

Für die anderen aktuellen Kieler Mannschaftskollegen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass nach nur zwei Spielzeiten in der Dritten Liga etwas Erfreuliches kommt – der nächste Aufstieg nämlich. Kiel wurde durch den Sieg gegen Mainz II zum Gewinner in der Spitzengruppe, da sowohl Spitzenreiter Arminia Bielefeld (0:2 in Dresden) als auch die Verfolger Stuttgarter Kickers (0:1 in Rostock) und Preußen Münster (2:3 gegen den Chemnitzer FC) patzten. Kiel hat nicht nur den zweiten Tabellenplatz gefestigt, bei nur drei Punkten Rückstand auf Bielefeld ist sogar mehr drin: Kazior könnte sogar als Drittliga-Meister nach Bremen gehen.  CHRISTIAN GÖRTZEN