: Grüne Gesellen für roten Bürgermeister
ROT-GRÜN Mit großer Mehrheit macht die grüne Basis in Hamburg den Weg frei für eine Bündnis mit der SPD. Es gibt eine klare Mehrheit nach einer vierstündigen, kritischen Debatte. Schulpolitikerin von Berg lehnt den Koalitionsvertrag ab – er ist ihr nicht grün genug
Die nächsten Schritte zur Senatsbildung am kommenden Mittwoch sehen so aus:
■ SPD: Am Dienstagabend beschließt ein Parteitag über den Koalitionsvertrag und das Personaltableau von Bürgermeister Olaf Scholz. In beiden Fällen ist eine überwältigende Mehrheit sicher.
■ Bürgermeister: Die Bürgerschaft wählt am Mittwochnachmittag in geheimer Wahl den Ersten Bürgermeister. Bei 58 SPD-Sitzen und 14 grünen Abgeordneten gegenüber 49 Mandaten der Opposition ist die Wahl von Olaf Scholz sicher.
■ SenatorInnen: Anschließend ernennt der Erste Bürgermeister seine Kabinettsmitglieder. Diese müssen danach von der Bürgerschaft in geheimer Wahl bestätigt werden.
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die größte Hürde auf dem Weg zu einer rot-grünen Koalition in Hamburg ist überwunden. Mit geschätzter Zwei-Drittel-Mehrheit stimmte eine Landesmitgliederversammlung (LMV) der Grünen am Sonntagnachmittag dem mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag in offener Abstimmung zu. Ein knappes Drittel der etwa 250 Abstimmenden votierte im Bürgersaal Wandsbek gegen die Vereinbarung bei einigen Enthaltungen.
Damit dürfte am Mittwoch in der Hamburger Bürgerschaft das zweite rot-grüne Regierungsbündnis in Hamburg nach 1997 bis 2001 Realität werden. Bei der SPD gilt eine überwältigende Mehrheit für Bürgermeister Olaf Scholz und das Verhandlungsergebnis auf ihrem Parteitag am Dienstagabend als sicher.
Zuvor allerdings hatte die Versammlung in einer knapp vierstündigen Debatte kritisch und kontrovers über den Vertrag gestritten. Zunächst hatte ein Vertreter der Lampedusa-Gruppe in einem kurzen Grußwort die Forderung nach einem politischen Bleiberecht für die Flüchtlinge erneuert. Im Vertrag haben SPD und Grüne vereinbart, das Anerkennungsverfahren für die Flüchtlinge wieder zu öffnen mit der Perspektive auf ein Bleiberecht.
„Das ist die politische Lösung, die möglich war“, antwortete Parteichefin Katharina Fegebank, die SPD habe über das Thema zuerst gar nicht diskutieren wollen. Was dennoch vereinbart wurde, sei „im ständigen und vertraulichen Kontakt mit Lampedusa und ihren Anwälten“ erreicht worden. „Wir sind und bleiben UnterstützerInnen von Lampedusa“, versicherte Fegebank. Zugleich forderte sie ihre Partei auf, „jetzt aus der Komfortzone Opposition herauszukommen“. Die Grünen müssten nun „eine moderne und grüne Zukunft für Hamburg gestalten“. Misstrauen gegenüber der SPD allerdings könne sie der grünen Basis nicht ganz nehmen. Jedoch sei es nun „Aufgabe der ganzen Partei, der SPD ordentlich Druck auf den Kessel zu machen, damit deren Zusagen auch eingehalten werden“.
Ungewöhnlich viel Lob gab es von Bernd Quellmalz, im Hauptberuf Vize-Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) Hamburg. „Aus Umweltsicht ist das ein respektables Ergebnis“, stellte Quellmalz klar. Zwar hätte „die Kröte Elbvertiefung geschluckt“ werden müssen, andererseits sei in der Natur- und Umweltpolitik „sehr viel erreicht worden“, so Quellmalz: „Wir sollten den Vertrag annehmen.“
So sah das auch die jugendpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Christiane Blömeke. Obwohl sie in vielen Punkten „im Dissens“ sei, werbe sie für die Annahme des Vertrages: „Einen besseren kriegen wir nicht, als Arbeitsgrundlage ist der gut.“
Eine staatspolitische Dimension brachte Landesschatzmeister Michael Gwosdz, selbst Mitglied der grünen Verhandlungsdelegation, in die Debatte. Nach dem Scheitern von Schwarz-Grün 2010 „erwartet die Öffentlichkeit jetzt von uns unser Gesellenstück – einfach mal fünf Jahre gut zu Ende regieren.“ Und das mit der Federführung in drei von elf Ressorts. Für die Grünen sollen, das billigte die LMV fast einstimmig, Parteichefin Fegebank Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin werden, Fraktionschef Jens Kerstan soll die Umwelt- und Energiebehörde übernehmen und Till Steffen wie schon in der schwarz-grünen Koalition die Justizbehörde leiten.
Zwei der wenigen Gegenstimmen kamen von der Schulpolitikerin Stefanie von Berg und vom grünen Urgestein Ernst Medecke. Von den grünen Forderungen im Schulbereich sei „fast nichts“ erreicht worden, kritisierte von Berg. Deshalb werde sie dem Vertrag nicht zustimmen, kündigte sie an, „aber in der Arbeit in der Fraktion loyal sein“. Medecke erinnerte daran, dass im schwarz-grünen Koalitionsvertrag 2008 mehr erreicht worden sei als jetzt bei der SPD. „Warum“, fragte Medecke, „hat denn niemand bei den Verhandlungen dem Ziegenbock mal eins zwischen die Hörner gegeben?“