: Idee von Erziehungscamps bringt SPD auf
Drill, Erniedrigung, Menschenrechtsverstoß: Die CDU-Idee, kriminelle Jugendliche mit Erziehungscamps zur Raison zu bringen, wird von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) scharf angegriffen. Unions-Politiker keilen tüchtig zurück
BERLIN dpa/rtr ■ Die Debatte um ein schärferes Jugendstrafrecht hat zwischen SPD und Union Streit über den Sinn von Erziehungscamps nach US-Vorbild ausgelöst. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnte solche Camps für Deutschland ab. Lager, in denen Jugendliche „gedrillt und erniedrigt“ würden, seien „schon wegen des Verstoßes gegen die Menschenrechte“ abzulehnen, sagte sie. Widerspruch bekam sie vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach. „Wenn Frau Zypries die Arbeit in Erziehungscamps für straffällige Jugendliche pauschal als menschenverachtend abqualifiziert, weiß sie offensichtlich nicht, wovon sie spricht“, sagte der CDU-Politiker.
Bosbach unterstützte damit Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Dieser hatte für besonders schwere Fälle geschlossene Erziehungscamps „mit therapeutischem Gesamtkonzept“ gefordert. Anlass für die Debatte ist der brutale Überfall zweier ausländischer Jugendlicher auf einen pensionierten Schuldirektor kurz vor Weihnachten in der Münchner U-Bahn.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte den Vorfall im laufenden Landtagswahlkampf aufgegriffen. Er verlangt, härter gegen kriminelle Ausländer vorzugehen und öfter das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. SPD, Grüne und FDP warfen Koch Populismus vor, während sich die Unions-Spitze hinter ihm versammelte.
Sein Parteifreund Bosbach verwies nun auf eine Einrichtung in Hessen, deren Leiter für seine Arbeit unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden sei. „Will Frau Zypries etwa ernsthaft behaupten, dass Lothar Kannenberg diese Auszeichnungen trotz angeblicher menschenverachtender Praktiken erhalten hat?“
In Diemelstadt betreibt Kannenberg ein bundesweit einmaliges Boxcamp für junge Kriminelle. Kurz vor 6 Uhr werden sie geweckt, nach dem Zähneputzen geht es auf den Hof, Frühsport, Frühstück, wieder Sport. „Schweißcamp“ steht über der Trainingshalle. Nach dem Mittagessen und ein wenig Ruhe geht es sportlich weiter. „Aktiv sein“, das brauchen die Jugendlichen, um sich wieder an Leistung und Selbstachtung zu gewöhnen, wie Kannenberg vor einiger Zeit sagte. Einer von Kannenbergs ehemaligen Schützlingen ist der Boxweltmeister im Mittelgewicht, Arthur Abraham.
Zypries sprach sich erneut gegen den unter anderem von Kauder vorgeschlagenen „Warnschussarrest“ aus, der zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden könnte. „Die Statistik belegt, dass Jugendliche, die in Haft beziehungsweise Jugendarrest waren, eine höhere Rückfallquote aufweisen als diejenigen, die mit anderen Sanktionen bestraft werden.“ Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte, er fordere bereits seit vier Jahren den Warnschussarrest.
Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) verlangte eine raschere Ausweisung ausländischer Straftäter. Er sagte, der Fall der zwei Jugendlichen, die vor Weihnachten in der Münchner U-Bahn den Rentner zusammenschlugen, habe einmal mehr „massive Integrationsdefizite“ aufgezeigt.