Arm auf die Abschiebung warten

Flüchtlingen geht es finanziell schlechter als ALG II-Empfängern. Viele von ihnen könnten jedoch auf dieselbe Stufe gestellt werden und mehr Geld bekommen. Doch die bürokratischen Hürden sind hoch

VON MAIKE WÜLLNER

Wenn alle einen Platz zum Schlafen finden wollen, wird es eng. Acht Leute in einem Zimmer, Küche, Wohn- und Schlafzimmer in einem. Zwischen Bett und Herd beschäftigt sich jeder auf andere Weise, keiner findet Ruhe, Kinder können sich nicht auf ihre Hausaufgaben konzentrieren. Einen Raum weiter wird vielleicht schon wieder eine andere Sprache gesprochen.

Flüchtlinge haben immer gleich mit mehreren Problemen zu kämpfen. Sie leben in einem fremden Land, wo kaum jemand ihre Sprache spricht und wissen nicht, wie ihre Zukunft aussehen wird. Und vor allem: Sie stehen finanziell schlecht da. 1.200 Euro erhält eine Flüchtlingsfamilie mit zwei Kindern unter 15 Jahren laut Asylbewerberleistungsgesetz. 435 Euro werden für die Unterkunft abgezogen. Es bleiben 765 Euro. „Hinzu kommt bei fast allen eine Reduzierung, der so genannte Taschengeldsatz, wenn sie zum Beispiel keinen Pass haben“, sagt Anne Harms, Leiterin der kirchlichen Hilfsstelle für Flüchtlinge Fluchtpunkt in Hamburg. Das sind noch einmal 40 Euro pro Elternteil weniger. Die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl geht davon aus, dass Asylbewerber nach Leistungssätzen rund 35 Prozent weniger bekommen als ALG II-Empfänger. Mit ALG II hätte dieselbe Familie 1.688,50 Euro monatlich.

Betroffen sind Flüchtlinge, die noch kein Bleiberecht haben, aus unterschiedlichen Gründen jedoch nicht abgeschoben wurden. Das Gesetz ermöglicht diesen „geduldeten“ oder „gestatteten“ Flüchtlingen, ihre Lage zu verbessern. Nach 48 Monaten stünde ihnen der Sozialhilfesatz zu. „In Hamburg wird das nicht umgesetzt“, sagt Harms. Es müssten bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Und wie beim Taschengeldsatz wird auch hier wieder ein fehlender Pass zum Problem: „Das ist ein Grund dafür, dass sie nicht höher gestuft werden. Irgendein Problem gibt es immer, wenn man es sucht.“ Darüber, wie einfach oder schwer es ist, einen Pass zu bekommen, sind sich Behörden und Flüchtlingshilfe uneinig.

„Den Pass muss das Herkunftsland ausstellen. Da gibt es aber oft keine Registrierung“, sagt Nina*. Sie arbeitet ehrenamtlich im Café Exil in Hammerbrook. Mit rund 20 weiteren Freiwilligenhilft sie hier Flüchtlingen, das alltägliche Leben zu meistern und mit den Behörden klarzukommen. Ihr Kollege Tim* ergänzt: „Es herrscht die grundsätzliche Unterstellung, dass, wenn der Pass fehlt, Flüchtlinge ihre Identität verschleiern und ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen.“ So sieht es auch die Behörde. Wer zur Ausreise verpflichtet ist, also kein Bleiberecht hat, müsse sich darum bemühen, dass die Ausreise möglich ist. „Es zeigt sich immer wieder, dass, sobald ein Pass, wie beispielsweise bei einer Heirat, dringend benötigt wird, es dann doch möglich ist, ihn zu bekommen“, sagt Norbert Smekal, Sprecher der Hamburger Ausländerbehörde.

Smekal hält auch die Bedingungen für die neue gesetzliche Regelung für angemessen. Flüchtlinge, die vor dem 1. Juli 2001 eingereist sind, wird demnach Arbeit und Aufenthalt genehmigt. Unter anderem müssen sie dafür bis 2009 nachweisen, dass sie ihr Leben selbstständig unterhalten können. Das wäre ein Netto-Einkommen von 1.826 Euro bei einem, 1.946 Euro bei zwei Erwerbstätigen. „Der Gedanke ist, dass jemand, der legal ins Land gekommen ist, auch Auflagen erfüllen muss. Flüchtlinge sollen nicht besser gestellt werden“, sagt Smekal. Außerdem müsse die Differenz zum Sozialhilfesatz gezahlt werden, wenn der Lohn darunter liege. „Die Zahlen entsprechen einem mittleren deutschen Einkommen. Im Falle der Flüchtlinge ist dies aber überdurchschnittlich. Sie haben ja oft nicht einmal eine Ausbildung“, sagt Fluchtpunkt-Leiterin Anne Harms.

* Namen von der Redaktion geändert