: Fast alles plaketti
Seit dem 1. Januar gilt in Berlin die Umweltzone. Weil die Polizei Autofahrer ohne Plakette noch nicht verwarnt, übernehmen diese Aufgabe nun Umweltschützer. Sie finden dabei viel Verständnis
Alte Autos ohne geregelten Katalysator oder ohne Dieselrußfilter sind seit 1. Januar aus der Innenstadt verbannt. In einer Umweltzone innerhalb des S-Bahn-Rings ist nur noch Autos mit Feinstaubplakette die Fahrt erlaubt. Bis Ende 2009 dürfen noch schadstoffärmere Wagen der Abgasklassen Euro 2 und 3 mit roten und gelben Plaketten in die Zone, von 2010 an haben nur noch solche mit der grünen Plakette für die Abgasnorm Euro 4 freie Fahrt. Ausnahmen gibt es für Härtefälle, aber auch für einzelne Betriebe. DPA
VON INGA HELFRICH
In diesen Tagen wird man besonders freundlich auf der Stadtautobahn empfangen. „Umweltzone beachten! Einfahrt nur mit Plakette!“, blinkt es Autofahrern von meterhohen Leuchtanzeigen entgegen. Wer erst jetzt aus dem Weihnachtsurlaub zurückkommt, freut sich über diesen Hinweis: Denn jeder Fünfte hat die seit 1. Januar vorgeschriebene gelbe, rote oder grüne Plakette noch nicht. Eigentlich kostet die Fahrt in die Innenstadt für sie 40 Euro Ordnungsgeld plus einen Punkt in Flensburg. Doch die Behörden haben angekündigt, im ersten Monat ein Auge zuzudrücken. Sie wollen erst ab Februar kassieren.
Diese Schonfrist hält die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für unsinnig. Gerade im Winter sei die Feinstaubbelastung besonders hoch, im Sommer werde der Staub wenigstens zum Teil in den warmen Luftschichten gebunden, sagt Maria Elander, hauptamtliche Mitarbeiterin des Naturschutzverbandes. „Die Schonfrist bis 1. Februar verwirrt die Autofahrer bloß.“
Um alle Unklarheiten auszuräumen, nimmt die DUH die Kontrollen nun selbst in die Hand. Als ersten Einsatzort für ihr „Feinstaub-Kontroll-Team“ haben sich Maria Elander und drei ehrenamtliche Helfer am Mittwoch den Potsdamer Platz ausgesucht. An der Kreuzung Leipziger Straße Stesemannstraße stehen sie im Morgengrauen bei Minusgraden und Schneegriesel, um bösen Feinstaubsündern einen Denkzettel zu verpassen.
Bei roter Ampel werden plakettenlose Autofahrer zur Rede gestellt. Der Mann am Steuer eines schwarzen Porsche Cayenne bringt zu seiner Entschuldigung vor, der Fahrzeugteilehändler „ATU“ habe keine Plaketten mehr gehabt. Für die Kontrolleure von der DUH klingt das nach einer billigen Ausrede. Der Porschefan kriegt das einem Knöllchen nachempfundene Infoblatt aufgebrummt. Unverdient, wie die spätere Stichprobe bei ATU in Steglitz ergibt: Die grünen Plaketten sind dort tatsächlich vergriffen. Und das bereits seit Freitag.
Ein BMW-Fahrer, ebenfalls noch ohne Plakette, kommt nicht so glimpflich mit einem Knöllchen-Infozettel davon. Maria Elander notiert sich sein Nummernschild. „Wir werden exemplarisch Autos ohne Plakette den Behörden melden und verfolgen, was aus diesen Anzeigen wird“, kündigt sie an.
Insgesamt zweieinhalb Stunden dauert die Kontrollaktion. Die meisten Autofahrer reagieren freundlich. Viele mit Plakette zeigen sich richtiggehend stolz, die Vorschriften eingehalten zu haben. Und die meisten ohne Plakette geloben baldige Besserung. Die Zählung der DUH am Potsdamer Platz ergibt, dass rund 75 Prozent der kontrollierten Fahrzeuge eine Plakette haben. Das deckt sich mit den Angaben der Verwaltung: Danach sind 80 Prozent der 1,2 Millionen in Berlin zugelassenen Fahrzeuge fit für die Umweltzone.
Der Weihnachtsurlaub fern der Umweltzone brachte neben Geschenken noch eine unerwartete Erkenntnis: Auf dem platten Land, wo Feinstaub meist nur ein Reizwort für geplagte Hausfrauen ist, nimmt man es mit der Vergabe der Plaketten nicht so genau. Dort bekommt sogar ein Peugeot 106 Baujahr 1992 die Lizenz zum Weiterfahren, obwohl er eigentlich ein Jahr zu alt ist. „G-Kat hat er ja, na dann kriegt der wohl ’ne grüne“, heißt die fachmännische Diagnose des Kfz-Mechanikers, fragenden Unterton inklusive. Ein zustimmendes Nicken später prangt das Siegel der Umweltfreundlichkeit auf der Windschutzscheibe.
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