: Abgrasen, vollmüllen, weiterziehen
betr.: „Konsens ist Gift!“, taz vom 27. 12. 07
Vielen Dank für das Interview mit dieser klugen Frau – die auf einige der Mainstreamfragen von Misik so schön klar reagiert. Zu ihrer Analyse ein paar Ergänzungen: Das liberal-kapitalistische „Einheitsdenken“ ist vielleicht deshalb so erfolgreich, weil es so bemerkenswert einfältig ist. Es reduziert die komplexe Welt und die Menschen auf Markt, Preis, Angebot und Nachfrage, und für die Politiker ist die TINA-Theorie („There is no alternative“) eine wunderbare Ausrede, „keine Politik mehr zu machen“. Man muss nur diese seltsame „Ökonomie“ sich entfalten lassen, und schon kann man dem PIN-Beschäftigten klarmachen, dass er halt einen Preis hat, der vom „Markt“ bestimmt ist. Ob er sich davon ernähren kann oder nicht, interessiert die „Wirtschaftswissenschaft“ nicht, womit Fragen der Vernunft, der Moral, des Sinns von Ökonomie nicht mehr berücksichtigt zu werden brauchen (so Herr Sinn kürzlich bei Anne Will).
Gegen diese Sancta Simplizitas war ja noch Henry Ford hochintellektuell, wenn er mit der Begründung „Autos kaufen keine Autos“ für anständige Löhne seiner Arbeiter sorgte. Aristoteles unterscheidet zwischen „Chrematistik“ (Methode der Geldvermehrung) und „Oikonomie“, gutem Haushalten.
Gut auch Frau Mouffes Hinweis darauf, dass diese dumme „Ökonomie“ unsere Klima- und Umweltprobleme nicht lösen wird. Zu ergänzen ist: Sie verursacht sie, weil sie eine „Cowboy-Ökonomie“ ist (Kenneth Boulding), die nach dem Prinzip arbeitet: ständige Vermehrung des materiellen Umsatzes, dazu neue Märkte erobern, abgrasen, vollmüllen und weiterziehen.
Nun ist die Erde rund und begrenzt: Die Cowboys haben auf ihrer Tour um die Welt bald die abgegrasten, vollgemüllten Claims wieder erreicht. Die „gravierenden ökonomischen Transformationen“ müssten darin bestehen, Bouldings Metapher von der „Raumfahrer-Ökonomie“ in die Realität umzusetzen: Die hat die „Pflege und Aufrechterhaltung der Bestände“ zum Ziel und versucht, mit möglichst wenig Produktion und Verbrauch menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Um im Bild zu bleiben: Die „Cowboys“ und ihre Propagandisten können den liberalen Kapitalismus nur deshalb zur „besten aller Ordnungen“ erklären, weil sie glauben, dass die Erde eine Scheibe ist. WOLFGANG NEEF, Berlin