: Im virtuellen Rüstungswettlauf
Die GAL-Bürgerschaftsfraktion warnt vor dem präventiven Überwachungsstaat durch die Vorratsdatenspeicherung. Dadurch sei der Medienstandort Hamburg besonders betroffen, da der Informantenschutz ausgehebelt werde
Ole von Beust hat dem Medienstandort Hamburg schweren Schaden zugefügt, indem der CDU-Senat im Bundesrat das Vorratsdatenspeichergesetz abgewunken hat. Das warf gestern der GAL-Rechtsexperte Till Steffen dem Bürgermeister und amtierenden Bundesratspräsident vor. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein „Angriff auf das Grundrecht der vertraulichen Kommunikation“ sowie ein „massiver Eingriff in die Pressefreiheit“.
Das umstrittene Gesetz ist seit Jahresbeginn in Kraft und stellt für den Datenschutz einen Paradigmenwechsel dar. Mussten Daten früher schnell gelöscht werden, sind Kommunikationsunternehmen jetzt verpflichtet Verbindungsdaten beim Telefonieren, Simsen, Mailen oder Internetsurfen zwecks möglicher Strafverfolgung präventiv sechs Monate lang zu speichern. Bei Handygesprächen müssen sogar die Standorte registriert werden. Mit Hilfe dieser Daten können genaue Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt oder Geschäftskontakte rekonstruiert werden. Hamburg sei als Standort von Medien, Internetwirtschaft und Rechtsdienstleistungen besonders betroffen“, warnte Steffen.
Auch diese Bereiche, bei denen eine Vertrauensbeziehung oft Grundlage seien, werden ausgeforscht. So könne es sein, dass ein Journalist auf der Basis vertraulicher Informationen nach wochenlangen Recherchen einen Bericht veröffentlicht, jedoch der Informant noch sechs Monate lang rückwirkend ausfindig gemacht werden kann. „Wer wird sich noch einem Journalisten anvertrauen, wenn er nicht sicher sein kann, das das Gespräch geheim bleibt?“, fragt Steffen.
So sieht es auch Albrecht Ude von der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“. Die „elektronische Totalüberwachung“ hebele einerseits den Informantenschutz aus, sei aber auch Ausdruck eines allgemeinen „virtuellen Rüstungswettlaufs“. Wer aber wirklich kriminelle Energien entwickele, könne sich schon heute mit Programmen gegen Vorratsdatenspeicherung oder Online-Durchsuchungen schützen und sitze „am längeren Hebel als die Ermittlungsbehörden“. Irgendwann komme aber der Zeitpunkt, an dem „man die Geister, die man weckt, nicht mehr los wird“. KAI VON APPEN