: Schule unterm Kirchturm
Im Herbst hat die evangelische Stiftung Alsterdorf ihre dritte Grundschule eröffnet– in den Räumen der Osterkirche, die demnächst aufgegeben wird. Mittlerweile gibt es bereits fünf Bugenhagen-Schulen in Hamburg, der Andrang ist ungebrochen
von FRIEDERIKE GRÄFF
Gerade ist ein neuer Teppich verlegt worden, deswegen sind die Regale und die kleinen Tische und Stühle in der Schule unterm Kirchturm mitten in den Raum gerückt. Und wo steht das Lehrerpult? „So etwas gibt es bei uns nicht“, sagt Anika Woydack, Projektleiterin der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, mit großer Selbstverständlichkeit. Die Schule unterm Kirchturm in Altona ist die jüngste Schulgründung der Stiftung in Hamburg. Mittlerweile gibt vier Grundschulen, neben Altona in Hamm, Eppendorf und Groß-Flottbek, sowie die – bereits 1867 – gegründete Schule in Alsterdorf, die seit Herbst 2007 auch eine gymnasiale Oberstufe anbietet.
In die Holzregale im Klassenraum in der Schule unterm Kirchturm sind kleine Fotos eingeklebt, die zeigen, welche Gegenstände wohin zurückgeräumt werden sollen. Selbstständigkeit der Schüler und offener Unterricht ist eine der pädagogischen Säulen der Bugenhagen-Schulen, die in vielem Ideen der Montessori-Pädagogik aufnehmen. Jahrgangsübergreifender Unterricht und projektorientiertes Lernen gehören ebenso dazu. Die Schulen sind evangelische Schulen, also Konfessionsschulen, aber gerade deshalb verstehen sie sich als offene Schulen: Nicht nur für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf – vier solcher Kinder gehören zu einer Lerngruppe von 25 Schülern – sondern auch für Kinder, die nicht getauft sind oder einer anderen Religion angehören. Voraussetzung ist jedoch, dass die Kinder den Religionsunterricht besuchen. Außerdem gibt es Schulgottesdienste und -andachten.
Nach Erfahrung von Anika Woydack ist das Wissen der Kinder oft gering, weil in den Elternhäusern nicht über Religiöses gesprochen wird. Der Religionsunterricht soll vor allem das Kennenlernen ermöglichen. „Wir fordern sie im Religionsunterricht aber nicht auf, das Glaubensbekenntnis zu sprechen“, sagt Anika Woydack. Für die meisten Eltern ist weniger das religiöse denn das pädagogische Profil der Schule ausschlaggebend. Das spiegelt sich in gewisser Weise in der Geschichte der Schulräume: In Altona ist die Schule in die Osterkirche eingezogen, die nach der Fusionierung mit der Klopstockkirche aufgegeben wird. Im Herbst wurden 24 Schüler eingeschult, um die sich zwei Lehrerinnen, eine Heilerzieherin und ein Erzieher kümmern – gemessen an staatlichen Lehrer-Schüler-Relationen ist das reiner Luxus. Mit dem Aufbau weiterer Klassen will die Schule nach und nach immer mehr der Räume übernehmen.
Insgesamt liegt der Anteil an Privatschulen in Hamburg bei zehn Prozent – Tendenz steigend. Kritiker fürchten, dass dies zu einem weiteren Aufklappen der sozialen Schere führen wird: Auf der einen Seite die gut ausgebildeten, finanziell solventen Eltern, die, unzufrieden mit der Situation an den staatlichen Schulen, ihre Kinder auf sorgfältig ausgewählte Privatschulen schicken. Und auf der anderen Seite die Eltern, die weniger gut ausgebildet und solvent sind. Anika Woydack sieht diese Gefahr bei den Bugenhagen-Schulen nicht: „Die Schulen spiegeln in der Zusammensetzung der Schüler jeweils den Stadtteil, in dem sie sind.“ Und der ist in Eppendorf ein anderer als in Hamm.
Da der Staat nur für rund 80 Prozent der Schulkosten aufkommt, zahlen die Bugenhagen-Eltern Schulgeld: Pro Schuljahr sind das 120 Euro für Kinder der Klassen eins bis vier, für die Jahrgänge fünf bis zehn 90 Euro. Für einkommensschwache Familien wird das Schuldgeld reduziert – was in Hamm rund ein Drittel der Kinder betrifft, in Eppendorf höchstens eines. Dazu kommt Essensgeld, denn die Bugenhagen-Schulen sind verpflichtende Ganztagsschulen. Für Anika Woydack ist das einer der Gründe, weshalb Gewalt an der Schule zwar existiert, ihrer Einschätzung nach aber in niedrigerem Maß als an anderen Schulen.
Die evangelische Kirche hat ideelle Unterstützung zugesagt, jedoch anders als die katholische Kirche, die ihre Schulen vollständig finanziert, bislang keine Gelder. Auf der letzten Synode wurde ein schulischer Investitionsfonds verabschiedet, der jedoch eher Zuschuss-Charakter hat.
Dennoch prosperieren die Bugenhagen-Schulen – zwar bislang nicht in Schleswig-Holstein, wo die Schulbehörde sich reserviert zeigt, wohl aber in Hamburg. Dort hat sich kürzlich eine weitere Elterninitiative gegründet, die eine Bugenhagen-Schule nach Blankenese holen will.