: „Eine Phase der Unsicherheit“
CDU-Oppositionschef Thomas Röwekamp über seine Kandidatur für den Parteivorsitz, die Gemeinsamkeiten mit den Grünen und den Kampf gegen sozialdemokratische Bastionen
THOMAS RÖWEKAMP, 41, Chef der CDU-Bürgerschaftsfraktion, war von 2003 bis 2007 Innensenator. Arbeitet seit 1997 als Rechtsanwalt.
Interview Jan Zier und Benno Schirrmeister
taz: Herr Röwekamp, wie kann man zugleich Anwalt und Oppositionschef sein?
Thomas Röwekamp: Die Frage ist nicht, wie viel Zeit man aufwendet, sondern wie viel Energie. Aber in den letzten sechs Monaten hat mir niemand vorgeworfen, dass ich zu wenig Zeit investiere – weder in der Partei, noch in der Kanzlei. Ich bin froh, dass ich wieder anwaltlich arbeiten kann, es gibt mir eine gewisse Unabhängigkeit. Wenn die Partei mich jetzt vor die Wahl stellen würde: Entweder Du machst es ganz oder gar nicht, würde ich mich für „gar nicht“ entscheiden.
Zugleich hat man den Eindruck: Wenn die CDU sich äußert, dann in Gestalt des Fraktionschefs.
Im Moment läuft es in der CDU noch nicht rund. Der Umbruch in die Opposition ist nicht geräuschlos vonstatten gegangen. Das wäre ja auch schlimm. Und die für viele von uns überraschende Diskussion über die Frage, wer die Partei führt, hat es nicht leichter gemacht. Ich fände es nicht schlecht, wenn wir auf dem Parteitag im Mai zwei Kandidaten hätten, nachdem wir 29 Jahre nur einen Kandidaten hatten.
Sie sind einer der beiden?
Ich habe mein Interesse signalisiert. Ich gehe aber davon aus, dass auch Jörg Kastendiek Interesse an dieser Funktion hat. Vielleicht gibt es noch weitere Bewerber. Davon mache ich meine Kandidatur abhängig. Aber aus meiner Sicht überwiegen die Vorteile, die Aufgaben in einer Person zu bündeln – zumal der Parteivorsitz ein Ehrenamt ist, kein bezahlter Beruf.
Einer der ersten, die das vertreten haben, war der Ex-Senator und frühere Fraktionschef Jens Eckhoff. Den haben sie gerade als nicht mehrheitsfähig eingestuft.
Ich habe nach wie vor ein vernünftiges Verhältnis zu ihm. Aber er hat selbst vor über einem Jahr gesagt, er möchte sich zunächst auf den Beruf konzentrieren. Das finde ich auch gut. Er ist weiterhin ein politischer Mensch und wird auch künftig eine der Antriebsfedern der CDU bleiben. Er ist politisch nicht verbrannt.
Hinter der personellen steht auch eine programmatische Frage. Wo ordnen Sie sich zwischen dem liberalen und dem traditionalistischen Flügel ein?
Die Frage des Parteivorsitzes ist keine Frage von Flügelkämpfen innerhalb der Union. Vor meiner Wahl zum Innensenator war ich Wirtschaftspolitiker. Man kann auch nicht sagen, der Röwekamp ist ein Sozialer, das passt auch nicht zu meiner Vita. Aber wir müssen wieder Konzepte anbieten für alle Politikbereiche – vor allem in der Bildungspolitik oder dort, wo es um die Armutsbekämpfung geht.
Gerade in der Sozialpolitik gab es in der CDU unter Familienministerin Ursula von der Leyen eine starke Neubestimmung – weg von der Familie, hin zu den Kitas.
Die CDU hat keine Ideologie in der Familienpolitik. Der Staat muss in der Lage sein, alle Lebensformen zu ermöglichen. Das gilt auch für allein erziehende Mütter, die wieder zurück in den Beruf wollen.
Das würden die Sozialdemokraten auch sagen.
Der wesentliche Unterschied zur Sozialdemokratie ist der, dass sich die SPD darauf beschränkt, soziale Armut zu alimentieren. Das spürt man auch bei Rot-Grün. Das kostenlose Mittagessen oder die Anhebung der Regelleistungen hilft den Menschen nicht, aus ihrer Armut herauszukommen.
Also verstehen Sie Sozialpolitik als Wirtschaftsförderung?
Nein. Aber wir haben 85 Arbeitsplätze auf 100 Einwohner gerechnet. Das Problem ist nur: Diese Arbeitsplätze werden nicht von unseren Landeskindern besetzt, sondern von Auswärtigen. Deswegen müssen wir für eine bessere Ausbildung sorgen. Auch um die Arbeitsmarktförderung mache ich mir große Sorgen: Wir geben da eine Menge Geld aus, aber es gelingt nicht, die Menschen auch in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Statt dessen alimentieren wir Träger, weil deren Chef bei der SPD eine wichtige Rolle spielt. Das zu ändern, ist uns auch in zwölf Jahren großer Koalition nicht gelungen. Das Problem sind die sozialdemokratischen Strukturen. Da bin ich mir auch mit vielen Grünen einig.
Ist das ein Wink in Richtung Schwarz-Grün?
Die Grünen haben sich in den vergangenen vier Jahren weniger an der SPD als an der CDU gerieben. Die SPD wurde als potenzieller Koalitionspartner geschont. Aus dieser Vergangenheit gibt es ein große Konfliktlinie zwischen den Grünen und der CDU. Aber es gibt Schnittmengen. Gerade dort, wo es darum geht, mal mit alten SPD-Bastionen aufzuräumen. Aber die Zeit ist noch nicht reif für ein schwarz-grünes Bündnis.
Sie haben ja selbst große Wunden geschlagen. Haben Sie auch Fehler gemacht, etwa bei dem mutmaßlichen Drogenhändler Laya Condé, der vor drei Jahren im Polizeigewahrsam starb?
Ich habe mein Bedauern über den Fall Condé seinerzeit sehr deutlich gemacht. Und das Parlament hat das gegen mich gerichtete Misstrauensvotum abgelehnt. Abgesehen davon muss eine Koalition polarisieren können, auch wenn sie sich am Ende zusammenraufen muss. Aber das muss kein unüberbrückbares Hindernis in der Zusammenarbeit sein.
Bei der Debatte um die Jugendkriminalität setzt Hessen auf Strafverschärfung, Niedersachsen auch auf das Motiv der Integration. Und Sie?
Ich habe schon als Innensenator gesagt, dass wir bei den jugendlichen Intensivtätern ein großes Problem mit Gewaltkriminalität haben. Und häufig haben die Täter einen Migrationshintergrund. Das ist unstreitig, aber nicht richtig statistisch erfasst. Ich bin für bestimmte Verschärfungen: So muss die Anwendung des Jugendstrafrechts bei den 18 bis 21-Jährigen die Ausnahme, nicht die Regel werden. Und es muss die Möglichkeit geben, dass junge Leute auch mal für ein paar Wochen in den Jugendvollzug wandern. Ich glaube aber, dass sich der Staat verstärkt um die Erziehung dieser Menschen kümmern muss, wenn das Elternhaus versagt. Deswegen muss man sie ja nicht alle gleich in geschlossene Heime stecken.