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Archiv-Artikel

Beschämende Drückebergerei

betr.: „Eine offene Rechnung, die keiner zahlen will. Deutsche und Herero: Es ist eine blutige Geschichte, die beide Völker verbindet“, taz vom 5. 1. 08

Es ist verdienstvoll, dass sich die taz im Gegensatz zu den meisten deutschen Zeitungen der Frage möglicher Wiedergutmachung für den Völkermord an den Herero und Nama während der deutschen Kolonialzeit angenommen hat. Die Überschrift „Eine offene Rechnung, die keiner zahlen will“ trifft den Kern der Sache: Bisher drücken sich alle deutschen Regierungen um eine Antwort herum, wie eine Lösung aussehen könnte, die diesem ersten deutschen Völkermord des vergangenen Jahrhunderts angemessen wäre. Der Beitrag von Jasmin Rietdorf bringt Licht in die selten beleuchteten Drückebergereien, die dieses Problem seit Jahren kennzeichnen. In zwei Punkten ist die Darstellung der Autorin jedoch nicht korrekt:

Es trifft nicht zu, dass der traditionelle Führer der Herero, Häuptling Riruako, direkte Verhandlungen zwischen der deutschen Regierung und den Herero ohne Beteiligung der namibischen Regierung verlangt. Riruako betont seit Jahren, dass die Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen zu führen sind.

Nicht richtig ist auch die hauptsächlich von konservativen Zeitungen verbreitete Version, dass Riruako direkte Zahlungen an die Herero fordert. Vielmehr hat er sich vor längerer Zeit öffentlich für nachhaltige Entwicklungsprojekte in den überwiegend von Herero bewohnten Gebieten ausgesprochen und mehrfach erklärt, dass er nicht auf Geldzahlungen besteht. Dass er seine Entschädigungsklage vor US-Gerichten so lange nicht zurückzieht, wie es keine Einigung mit Berlin gibt, steht nicht im Widerspruch dazu.

Solche Entwicklungsprojekte können aber logischerweise nur unter Einbeziehung der Herero sinnvoll festgelegt werden. Genau daran mangelt es: Seit Namibias Unabhängigkeit vor 17 Jahren weigert sich die Bundesregierung, den Hereroführer in die Lösung der Probleme einzubeziehen. So ist die beschämende Situation entstanden, dass die Bundesrepublik bis heute keine überzeugende Antwort auf das Problem dieses Völkermords gefunden hat. Der erste Schritt müsste sein: miteinander reden. Die Herero feierlich um Vergebung zu bitten, aber nicht mit ihrem traditionellen Führer zu reden, zeugt von mangelnder Aufrichtigkeit. ROLF-HENNING HINTZE, München