piwik no script img

Archiv-Artikel

„Wir haben alle Versprechen erfüllt“

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will Bildung und Forschung stärken, bei den Studiengebühren kündigt er Änderungen an. Ehrenamtlich tätigen Studenten soll ein Teil der Gebühren erlassen werden. Das Wahlkampf-Interview

Nur Stimmung für die CDU

„Nur nicht abheben“ ist das Motto der Niedersachsen-CDU im laufenden Landtagswahlkampf. Umfragen sehen die Partei von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) derzeit bei 45 Prozent. Das würde zusammen mit den prognostizierten sieben Prozent der FDP am 27. Januar bequem zur Mehrheit im Parlament in Hannover reichen. Dennoch warnen Parteistrategen vor verfrühtem Jubel: „Stimmungen sind noch keine Stimmen.“ Falls CDU-Sympathisanten das Rennen als gelaufen ansehen, dürften sie erst gar nicht an die Urnen gehen, ist die Befürchtung. Die FDP warnt dagegen vor einer absoluten Mehrheit der CDU. Garant für die guten Unions-Prognosen ist Regierungschef Christian Wulff. 63 Prozent der befragten Niedersachsen wären bei einer Direktwahl für den 48-Jährigen als Ministerpräsident, sein SPD-Kontrahent Wolfgang Jüttner erreicht nur 23 Prozent. Der Anwalt aus Osnabrück scheiterte 1994 und 1998 am späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei den Wahlen zum Ministerpräsidenten. Erst im Februar 2003 setzte er sich in seiner Partei mit 48,3 Prozent gegen den heutigen SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel durch. Die SPD erreichte damals 33,4 Prozent.  KSC

INTERVIEW KAI SCHÖNEBERG

taz: Herr Wulff, Roland Koch besetzt das Thema Jugendkriminalität mit ausländerfeindlichen Untertönen, Sie fordern keine Toleranz gegen Gewalttäter, betonen jedoch zugleich die Bedeutung der Integration. Gibt es da eine andere Tonalität als beim hessischen Ministerpräsidenten?

Christian Wulff: Ich kann nur für Niedersachsen sprechen: Prävention, Integration und Repression – das sind für uns drei gleich wichtige Säulen, mit denen wir hier mit Erfolg gegen gewaltbereite Jugendliche vorgehen. Wir haben eine zurückgehende Zahl bei den ausländischen jugendlichen Tatverdächtigen, wir nehmen im Ländervergleich Platz 4 bei der Abarbeitung von Jugendgerichtsverfahren ein. Darauf sind wir besonders stolz.

Sie haben gewettet, sich einen Bart wachsen zu lassen, wenn die Wahlbeteiligung am 27. Januar unter die der Wahl 2003 sinkt. Danach sieht es jedoch aus: Die Umfragen prognostizieren klar, dass Sie weiter Regierungschef in Niedersachsen bleiben können. Wenig Antrieb für die eigene Klientel, zur Wahl zu gehen. Hat die CDU ein Mobilisierungsproblem?

Ich bleibe zuversichtlich, dass wir eine Beteiligung von 67 Prozent plus X haben werden. Der Mobilisierung sgedanke für unsere Wähler ist, dass wir in den vergangenen fünf Jahren wirklich gute Arbeit geleistet haben, die fortgesetzt werden muss. Der politische Gegner ist ohne inhaltliche und personelle Alternative. Das weiß der Wähler nur zu genau. Aber natürlich würde ich mein Versprechen einlösen, mir zu Ostern zwei Wochen einen Bart stehen zu lassen, falls das nicht klappt.

In die Annalen der Jahre 2003 bis 2008 werden Sie für die ersten Regierungsjahre als Niedersachsens Sparkommissar eingehen, der spätere Wulff wird wegen seines präsidialen Regierungsstils als Ministerpräsident der ruhigen Hand bezeichnet werden. Wie wünschen Sie sich das für die Jahre bis 2013?

Die vergangenen fünf Jahre zeichnen sich dadurch aus, dass wir anfangs eine finanzpolitische Vollbremsung vorgenommen haben. Jetzt, wo umgesteuert ist, kann in verschiedenen Bereichen Gas gegeben werden: So in der Infrastruktur, in der Bildungs-, Forschungs- und Hochschulpolitik.

Die Studiengebühren schrecken laut Opposition vor allem bildungsferne Schichten von Studium ab. Wollen Sie hier gegen steuern?

Die Zahlen widerlegen den Vorwurf: Im vergangenen Jahr haben sich prozentual mehr Studenten an den niedersächsischen Hochschulen eingeschrieben als in allen anderen Bundesländern. Zudem studierten zu wenige sozial Schwächere, als es keine Studiengebühren gab. Was mich umtreibt, ist die geringe Zahl derer, die ein Studiendarlehen aufnehmen. Wir verbessern die Kriterien, nach denen man zum Beispiel ehrenamtlich tätigen Studenten künftig einen Teil der Studiengebühren erlassen kann.

Haben Sie sonst alle Konfliktfelder im Landtagswahlkampf abgeräumt?

Ich möchte gegen mich keine Opposition führen. Wir haben alle Versprechen von vor fünf Jahren erfüllt. Zum Beispiel ein beitragsfreies Kindergarten-Jahr. Es gibt mehr Betreuungsplätze für unter 3-Jährige, ein 100 Millionen-Programm für Familien, mehr Ganztagsschulen. Mir kann doch niemand verbieten, Dinge zu tun, die auch im Programm der SPD stehen. Es ist die originäre Aufgabe eines Regierungschefs, keine Angriffsflächen zu bieten, sondern modern und unaufgeregt zu entscheiden.

Die Haushaltskonsolidierung war eines der wichtigsten Themen der Legislatur. Ist das Versprechen, 2010 keine neuen Schulden mehr zu machen, angesichts erlahmender Konjunktur, steigender Ölpreise und einer ökonomisch labilen Situation in den USA nicht ziemlich riskant?

Nein. Wir dürfen nicht immer weniger jungen Menschen immer mehr Schulden hinterlassen. Ja, es gibt Unwägbarkeiten. Aber deshalb verzichten wir in diesem Wahlkampf im Gegensatz zu unserer Konkurrenz neben zwei weiteren Gratis-Kindergarten-Jahren auf teure Versprechen.

Am Mittwoch wird der Landtag über das ins Trudeln geratene Tiefwasserhafen-Projekt in Wilhelmshaven streiten. Ist bei der Vergabe des 500 Millionen Euro-Bauauftrags für den Jadeweserport alles mit rechten Dingen zugegangen?

Im Untersuchungsausschuss hat sich gezeigt, wie bei der Vergabe gezerrt und gezurrt wurde. Das hat mir gezeigt, wie klug es war, dass ich und Wirtschaftsminister Hirche sich da herausgehalten haben. Es gibt derzeit keine Minute Verzögerung durch das Vergabeverfahren, der Baubeginn erfolgt, wenn das Oberverwaltungsgericht über die Eilanträge von Naturschützern entschieden hat. Zusammen mit anderen Vorhaben werden in den nächsten Jahren 5,6 Milliarden Euro in Wilhelmshaven investiert. Das wird eine Erfolgsgeschichte.

Zum Schluss zu einer wirklich spannenden Wahl: Clinton oder Obama?

Sich für einen Kandidaten auszusprechen, gehört sich für mich nicht: Es wäre doch unschön, wenn ich bei einer Ministerpräsidentenreise wie neulich Roland Koch im Weißen Haus Hillary Clinton träfe, aber vorher öffentlich Barack Obama favorisiert hätte, und sie mir dann das taz-Interview unter die Nase hält.