heute in bremen
: Konsum wird Kunst

„Bommel“ Fischer stellt aus, was meistens achtlos im Müll landet: Einkaufszettel als Alltagspoesie

taz: Herr Fischer, Sie verhelfen einem bislang unbeachteten Objekt zu ungeahnter Bedeutung: dem Einkaufszettel. Wie sind Sie denn darauf gekommen, dass das Kunst ist?

Joachim „Bommel“ Fischer, Einkaufszettelsammler und Künstler: Mich faszinieren diese achtlos weggeworfenen Notizen, ich sehe darin Literatur des Alltags.

Reduzierte Literatur: Butter, Mehl, Aufschnitt, Käse. Viel mehr dürfte da ja nicht zu lesen sein.

Ganz genau. Von der Form her ähnelt das modernen Gedichten, nur sind Einkaufszettel viel ursprünglicher, weil sie direkt dem Alltag entspringen. Und mit etwas Phantasie kann man sich dazu eine eigene Geschichte vorstellen. Genauso entstehen bei jedem Einkauf anhand des Zettels temporäre Stillleben – erst im Einkaufswagen, dann auf dem Kassenband. Das ist die moderne Form eines uralten Genres.

Sie haben bislang etwa 1.000 Einkaufszettel gesammelt. Gibt es darunter einen Lieblingszettel?

Ja. Das ist der, auf dem nur das Wort „Blumen“ steht. Ein kurzes Wort für eine ganze Geschichte, die sich dahinter verbirgt. Jeder kann sich seine Vorstellung davon machen.

Was steht denn am häufigsten auf den Einkaufszetteln?

Lebensmittel wie Brot und Milch, mitunter so detailliert beschrieben, als habe jemand den Zettel für eine andere Person verfasst. Oft steht da auch „Toilettenpapier“. Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen, der auf dem Klo sitzt und beim letzten Blatt angelangt ist. Der muss dann beim nächsten Einkauf daran denken. Fragen: Fez

Bis 9. Febraur, Stadtteilbibliothek Vegesack