: Härtere Strafen nützen auch nichts
Fast 1.000 Juristen, Polizisten und Wissenschaftler wenden sich gegen schärferes Jugendstrafrecht. CDU-Wahlkämpfer im Norden üben sich im Sowohl-als-auch – und wollen nicht mit ihrem hessischen Kollegen Koch verwechselt werden
Die Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts gewinnt weiter an Fahrt. Während auch norddeutsche CDU-Größen zunehmend auf Distanz zum hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gehen, veröffentlichte die in Hannover ansässige Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ) jetzt eine Resolution gegen härtere Sanktionen für minderjährige Straftäter. Die Erklärung wurde von 989 Richtern, Staatsanwälten, Wissenschaftlern und Polizeibeamten innerhalb von nur zwei Tagen unterzeichnet.
In dem von dem Konstanzer Kriminologen Wolfgang Heinz entworfenen Papier heißt es, „für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts“ bestehe „kein Anlass“. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben demnach darauf hingewiesen, dass die Jugendgewalt eher zurückgehe als anwachse. Zudem würden „sämtliche“ bekannten Studien ausweisen, dass „Sanktionsverschärfungen“ nicht zu einer Reduzierung von Jugendkriminalität führen.
Auch der aktuelle Sicherheitsbericht der Bundesregierung komme zum Schluss, dass es „keine Anhaltspunkte“ für die Annahme gebe, „dass eine Verschärfung des Strafrechts das Normbewusstsein positiv beeinflussen würde“. Ebenso gebe es „keinen empirischen Befund, der die Annahme stützen würde, durch härtere Sanktionen oder längere Strafen messbar die Rückfallwahrscheinlichkeit reduzieren“ zu können.
Dagegen fänden sich jede Menge wissenschaftlicher Belege, dass einer erneuten Straffälligkeit durch weichere Sanktionen „wirksamer vorgebeugt werden“ könne. Da „freiheitsentziehende Maßnahmen“ die „Entwicklung von Jugendlichen nachhaltig zu beeinträchtigen vermögen, sollte hierauf nur als ultima ratio zurückgegriffen werden“, heißt es im dem Papier.
Währenddessen treiben auch die norddeutschen Wahlkämpfer die Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts voran. Die CDU-Regierungschefs Christian Wulff und Ole von Beust fahren dabei in der Gewalt-Debatte einen moderateren Kurs des entschiedenen Sowohl-als-auch. So sprach sich Niedersachsens Ministerpräsident Wulff in den vergangenen Tagen zwar wiederholt für eine Verschärfung des Jugendstrafrechts aus, distanzierte sich aber gleichzeitig von seinem hessischen Amtskollegen Roland Koch: In jüngster Zeit sei einiges gesagt worden, was kritisch gesehen werden könnte, sagte Wulff bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen in Hannover. Ein Schüler hatte ihm vorgehalten, die CDU nutze das Thema Jugendkriminalität zu Wahlkampfzwecken. „Ich bin hier in Niedersachsen“, erwiderte Wulff, „ich habe damit nichts zu tun.“
Hamburgs Bürgermeister von Beust warnte unterdessen davor, in der Debatte junge Menschen unter Generalverdacht zu stellen. Gleichzeitig forderte er aber ein hartes Durchgreifen bei Gewaltexzessen und gegebenenfalls auch Gesetzesänderungen.MARCO CARINI