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Archiv-Artikel

Gericht stoppt Vattenfall-Plan

Strom aus Mülheim-Kärlich darf nicht auf Brunsbüttel übertragen werden

„Musterbeispiel legislativer Fehlleistung“

SCHLESWIG taz ■ Die Reststrommengen des nie ans Netz gegangenen Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich dürfen nicht auf das Kraftwerk Brunsbüttel übertragen werden. Mit dieser Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig am Mittwoch eine Klage des Energieversorgers Vattenfall gegen das Bundesumweltministerium verworfen. Das Gericht ließ Revision zu, „weil man auch anderer Auffassung sein kann“. Vattenfall kündigte bereits an, vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.

Bei der mündlichen Verhandlung stritten die Vertreter Vattenfalls und der Bundesregierung darüber, ob die 107,25 Terawattstunden Reststrom aus Mülheim-Kärlich nur auf jene Atomkraftwerke übertragen werden dürfen, die in einer Fußnote des Atomausstiegs genannt werden, oder auch auf andere AKW. Das Gericht argumentierte, dass mit dem Gesetz der Atomkonsens zwischen Bundesregierung und Energieversorgern umgesetzt werden sollte. Demnach sollten Reststrommengen normalerweise nur von älteren auf neuere AKW übertragen werden dürfen. Eine Übertragung auf alle AKW sei gerade nicht gewünscht gewesen. Eine Übertragung von Mülheim-Kärlich müsse sich daher auf die Liste in der Fußnote beschränken.

Probleme bereiteten dem Gericht und den Parteien die teils ungenauen und widersprüchlichen Formulierungen im Gesetz über den Atomausstieg. „Das ist ein Musterbeispiel legislativer Fehlleistung in der modernen Gesetzgebung“, schimpfte Fritz Ossenbühl als Vertreter Vattenfalls. Der Gesetzestext könne keinesfalls eins zu eins ausgelegt werden. Vielmehr sei die zugrunde liegende Vereinbarung über den Atomkonsens heranzuziehen. Aus dem Konsens ergebe sich, dass die Strommengen mit Genehmigung des Umweltministeriums auch von neueren auf ältere Atomkraftwerke übertragbar sein sollten. Warum das im Fall Mülheim-Kärlich anders sein sollte, sei nicht ersichtlich und wahrscheinlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.

Ebenfalls unter Berufung auf die Konsensvereinbarung nahm Rechtsanwalt Joachim Wienand für die Bundesregierung das Ausstiegsgesetz in Schutz: Es sei eben Ausdruck eines Kompromisses zwischen der Regierung und den Energieversorgern und nicht ein stringent entwickeltes Gesetz. Dass Mülheim-Kärlich darin anders behandelt werde als andere AKW, liege daran, dass für dieses Kraftwerk, das nie ans Netz gegangen ist, gar keine Betriebsgenehmigung vorlag, als der Atomkonsens vereinbart wurde.

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel ist wegen Pannen seit dem vergangenen Sommer abgeschaltet. Nach dem Atomkonsens muss es voraussichtlich im Jahr 2009 vom Netz gehen. GERNOT KNÖDLER