Leben im Folterstaat

betr.: „Folter muss tabu bleiben“, taz vom 14. 1. 08

Die Wahl des Prof. Dreier zum Richter oder sogar Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts wäre ein schwerer Schlag gegen die deutsche Rechtskultur und das internationale Ansehen Deutschlands. Sechzig Jahre nach Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die auch ein Signal der Weltgemeinschaft gegen das Unrechtsregime Nazi-Deutschlands war, soll es wieder (juristisch) diskutierbar sein, von Staats wegen die Folter einzusetzen, um im Notfall die Willensfreiheit eines Verdächtigen als Teil seiner Menschenwürde brechen zu können.

Gerade im Hinblick auf solche „Notfälle“ ist 1984 ganz bewusst das allgemeine Folterverbot in Art. 2 Abs. 2 der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen dahin konkretisiert worden, dass „außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden dürfen“. Dieses Foltertabu bedeutet einen großen Fortschritt in der Entwicklung einer international verbindlichen Rechtskultur. Wie gefährdet solche Rechtsgüter sind, zeigt das Abgleiten auch traditioneller Rechtsstaaten wie die USA, indem das Folterverbot bei der Terrorbekämpfung praktisch außer Kraft gesetzt wurde.

Übrigens sagte neulich bei einem Schulbesuch für amnesty international eine etwa 15-jährige Schülerin mit Kopftuch: „Ich möchte nicht in einem Staat leben, wo die Polizei mich foltern kann.“

HANS-HENNIG VON HOERNER, Hannover