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Archiv-Artikel

Treffende Formulierung

Türkische Medien kommentieren die Wahlkampagne von Roland Koch und fordern dazu auf, den Hessen zu stoppen

Schade, dass Roland Koch kein Türkisch versteht. Der hessische Ministerpräsident würde sich noch mehr ärgern, als er es ohnehin schon tut. Denn neben der SPD-Herausforderin Andrea Ypsilanti und anderen Kritikern gehen auch die türkischen Medien brutalstmöglich gegen Koch vor: „Stoppt diesen Rassisten“ titelte am Donnerstag die türkische Tageszeitung Hürriyet und zeigte daneben eine verächtliche Karikatur des hessischen Hardliners, die ihn mit einer langen Nase zeigt.

Mit diesem knalligem Aufmacher verweist die Zeitung auf einen offenen Brief von prominenten Deutschtürken an die CDU/CSU, der in der Ausgabe der Hürriyet und, zeitgleich auf Deutsch, auch in der Wochenzeitung Die Zeit erschienen ist. „Roland Koch spaltet mit seinen rechtspopulistischen Äußerungen die Gesellschaft und gefährdet damit die langsam gedeihende Integrationspolitik“, kritisieren die 21 Unterzeichner, unter ihnen die Schauspielerin Renan Demirkan, der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, der Musiker Muhabbet und der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir. Die Gruppe fordert von den Unionsparteien mehr Sachlichkeit in der Debatte um Jugendgewalt.

Die Wahlkampagne von Roland Koch dominiert seit Wochen die türkischen Medien. Und die Abneigung gegen den Hessen siegt über Sachlichkeit oder gar Höflichkeit. Denn für die türkischen Medien geht es um viel mehr als eine kleine Landtagswahl, sie sehen sich als Zielscheibe des Politikers. Schon Anfang Januar bezeichnete die Hürriyet die Unionskampagne als „widerwärtig“ und rief dazu auf, sich unbedingt an den Wahlen zu beteiligen. Es sei „lebensnotwendig“, schrieb der Chefredakteur der Europaausgabe Kerem Caliskan, denn Koch habe mit „seiner türkenfeindlichen Propaganda deutlich übertrieben“. „Das letzte Zucken“ titelte die liberale Milliyet zu Koch und kommentierte, „aus Angst, die Wahl zu verlieren, wandelt er die Gewalttaten von Jugendlichen in der U-Bahn in rechte Stimmen um“.

Je näher die Wahl rückt, desto rauer werden die Schlagzeilen. So zeigte kürzlich die konservative Sabah den Ministerpräsidenten mit einem Knüppel in der Hand und einer Sprechblase mit der Aussage „Du bist Deutschland“. Das Blatt rief seine Leser dazu auf, die „populistische Hetzkampagne“ zu stoppen. Und jetzt die Rassisten-Bezeichnung mit dem offenen Brief. Ob die Bezeichnung „Rassist“ für Roland Koch denn nicht etwas übertrieben sei? Caliskan findet die Formulierung für den Hessen absolut treffend. „Er bedient sich ausländerfeindlicher Methoden, deswegen ist er ein Rassist“, sagt der Chefredakteur der taz. Irgendwie ist es doch gut, dass Roland Koch kein Türkisch versteht: So kann er sich nicht wehren. CIGDEM AKYOL