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Weiß

2006 Tocai Friulano „Selènze“, Weißwein trocken, Weingut La Tunella, Colli Orientali del Friuli, Italien, 9,50 Euro

Namenlosigkeit kann ein Stigma sein. Dieses Schicksal trifft gerade die weiße Rebsorte Tocai Friulano, eine Weinpflanze, die seit eh und je in den Hügeln des Friaul wächst und Anteil hat an der kulturellen Weinidentität der Region Colli Orientali del Friuli, was so viel bedeutet wie „die östlichen Hügel von Friaul“. Die Gegend im Hinterland von Triest grenzt an Slowenien und Österreich, in den letzten hundert Jahren hat sie mehrfach Namen und Nationalität gewechselt.

Dem zünftigen Tocai Friulano blieben die Winzer treu, er ist dort so etwas wie die Brot-und-Butter-Rebe. Seit der Ernte 2007 ist er namenlos.

Der Streit begann mit den Ungarn, die in der EU durchgesetzt haben, dass der salzige, herbe Tocai Friulano sich nicht mehr Tocai nennen darf wegen akuter Verwechslungsgefahr mit dem bernsteinfarbenem Süßwein Tokajer. Deswegen ist man als Verbraucher natürlich der EU-Regelung dankbar, die nun an der friaulischen Weinpflanze vollstreckt wurde. Dazu muss man wissen, dass im ungarischen Weingebiet Tokaj fast nichts anderes hergestellt wird als rosinensüßer, öliger Wein, der mehr oder weniger oxidiert ist und nichts, aber auch gar nichts mit dem knochentrockenen friaulischen Weißwein gemein hat. Aber wo Gefahr im Verzug ist, kennt die neurotische Regulierungswut keine Vernunft. Die Fingerhakelei um Etiketten und Sortennamen ist in der EU Usus, es hat nun die Ungarn selbst getroffen, die einen trockenen Alltagsrotwein aus der Rebsorte „Kékoportó“ nur noch „Portugieser“ nennen dürfen, um Verwechslungen mit pappsüßem Portwein auszuschließen – einem Likörwein mit 20 Alkoholprozenten, der in Portugal auch „Oporto“ genannt wird.

Massimo Zorzettig interessieren die Streitereien weniger, er konzentriert sich lieber auf seine Weinproduktion. Zorzettig ist ein jung gebliebener Winzer, frisch wie Panacotta in Zitronensauce. Er sagt „Wir tun uns schwer, sind ein Randgebiet und nicht so bekannt wie das Piemont.“ Aber dafür wirken seine Weine ernster und unaufgeregter. Sein Weinstil ist modern, aber nicht modisch. Jahrgang 2006 ist der letzte Wein, den Massimo Zorzettig noch als „Tocai Friulano“ abfüllen durfte, künftig darf nur noch „Friulano“ aufs Etikett gedruckt werden. Der Wein schmeckt herrlich salzig, und mit jedem Schluck wird er salziger – man muss sich eintrinken. Am Gaumen entfaltet er ein wunderbares Spiel, das zwischen Süffigkeit und Herbe oszilliert. Ein Wein mit klarem Geschmacksbild, ohne Chichi und Kitsch, der in der Tradition der Region Colli Orientali del Friuli steht und trotzdem alles andere als bäuerlich und muffig schmeckt. Der Geist der Gegenwart kommt hier mit Konturen, feiner Würze und schönster Frische zum Tragen. Das alles ist nicht vordergründig, schmeckt auf sublime Art raffiniert.

Bezug: Sechserkarton für 54 Euro inkl. Porto und Versand; der Zwölferkarton für 102,60 Euro. DiVinum Weinkontor, Schützenstraße 50/51, 12165 Berlin, Fax (0 30) 44 34 18 71, Fon (0 30) 44 34 18 70, E-Mail info@divinum.de

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