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Archiv-Artikel

Was am Sonntag alles passieren kann

6,1 Millionen Wähler und Wählerinnen zwischen Harz und Nordsee dürfen am Sonntag die Zusammensetzung des Landtags in Hannover bestimmen. Das taz-Orakel blickt schon mal in die Koalitionskarten. Was geht? Und wie wahrscheinlich ist es?

Ohne Richtung

1998 wählten die Niedersachsen Gerhard Schröder mit absoluter Mehrheit zum Bundeskanzler-Kandidaten der SPD. 2003 straften sie Sigmar Gabriel ab, weil Schröder nicht mehr Bundeskanzler sein sollte. Damals erreichte die CDU 48,3 Prozent der Stimmen, die SPD 33,4, die FDP 8,1, die Grünen 7,6. In den Augen vieler Wähler geht es am Sonntag offenbar nicht um eine Richtungsentscheidung für Land oder Bund. Deshalb ist zu befürchten, dass die Wahlbeteiligung unter den historisch niedrigen Stand vom Jahr 2003 sinkt. Damals lag sie bei 67 Prozent. Allerdings: Indirekt nehmen die Niedersachsen am Fernduell zwischen den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch in Hessen und dem Niedersachsen Christian Wulff teil. Wer besser abschneidet, dürfte eines Tages Angela Merkel als CDU-Kanzlerkandidatin beerben.  KSC

VON KAI SCHÖNEBERG

Sie meinen, bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist schon alles gelaufen? Christian Wulff und die FDP sind tatsächlich Sieger. Aber nur in den Umfragen. Am Sonntag haben Sie, falls sie wie 6,1 Millionen Wahlberechtigte zwischen Harz und Nordsee, Elbe und Ems wohnen, die Qual der Wahl. Die Demoskopen haben sich in der Vergangenheit kräftig blamiert, so bei der Bundestagswahl 2005. Zudem scheint das Interesse an der Wahl äußerst gering: Diesen Faktor haben die Umfragen nicht gemessen. Eine schwache Wahlbeteilung würde vor allem Linken und Grünen helfen, die großen Parteien schwächen. Das Rennen ist also noch offen. Damit Sie wissen, was passieren kann, blickt das taz-Orakel in die Koalitionskarten. Das sind die möglichen Konstellationen nach der Wahl:

Absolute Mehrheit für die CDU. Vor fünf Jahren eroberte die CDU handstreichartig 91 von 100 Wahlkreisen, schlitterte nur mit einem Sitz an der absoluten Mehrheit im Landtag vorbei. Die kleine FDP fährt zwar eine Zweitstimmenkampagne. Niedersachsen ist jedoch kein liberales Stammland: Unvergessen die Wahl 1998, als die Gelben mit 4,9 Prozent den Einzug in den Landtag vergeigten. Ein knappes Scheitern der Linken an der Fünf-Prozent-Hürde und weitere starke Splitterparteien könnten das Gewicht der CDU so stärken, dass ihr schon 46 oder 47 Prozent für die Alleinherrschaft in Niedersachsen reichen. Wahrscheinlichkeit: 10 Prozent.

Schwarz und Gelb regieren weiter. Laut Umfragen reicht es selbst für die Fortsetzung der alten Koalition, wenn die Linke den Einzug in den Landtag packt. Wahrscheinlichkeit: 60 Prozent.

Die Große Koalition. Die SPD soll an die Macht? Schwierig, schwierig. Eine Mehrheit für die Sozialdemokraten in Niedersachsen sagen die Demoskopen seit Jahren nicht mehr voraus. Wenn die Linke in den Landtag kommt und SPD sowie Grüne stark zulegen, könnte es jedoch rechnerisch für Wolfgang Jüttner zum Juniorpartner der CDU reichen. Ein Albtraum für Wulff, der seine Chancen für Berlin wahren will. Er würde zunächst eine Ehe mit den Grünen probieren. Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent.

Rot-Grün. Nein sorry, was sich SPD-Spitzenkandidat Jüttner öffentlich wünscht, sehen die Umfragen außerhalb der Realität. Wahrscheinlichkeit: 2 Prozent.

Rot-Rot-Grün. Bislang beteuern SPD wie Grüne, dass weder Koalition noch Duldung durch die „Altkommunisten“ drin sind. Aber was passiert, wenn es doch reicht? In der letzten Umfrage lag das linke Parteispektrum fünf Punkte hinter dem schwarz-gelben Lager. Wahrscheinlichkeit: 10 Prozent.

Schwarz-Grün. Wulff hat früher gerne mit einem Zusammengehen mit der Öko-Partei geliebäugelt. Was Ole von Beust in Hamburg schaffen könnte, scheint in Niedersachsen fast unmöglich: Trotz Sympathien einzelner Protagonisten sind die Parteikulturen zu verschieden. CDU wie Grüne verweisen auf Konfliktthemen wie das Atom-Endlager Gorleben. Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent.

Ampel. Rote und Grüne sind spinnefeind mit vielen Liberalen, die FDP hat sich schon zu sehr auf die CDU festgelegt. Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent.

Jamaica. Wenn Schwarz-Grün schon nicht klappt, wird es durch die FDP als dritten Partner nicht unkomplizierter. Wahrscheinlichkeit: 3 Prozent.