: berliner szenen Alte Musik im Flur
Wurlitzer Jukebox
Ein Kumpel von mir musste seine Wohnung in Friedrichshain aufgeben. Er fand einen Job anderswo und zog weg. Bloß seine Musikbox konnte er nicht mitnehmen. Zu schwer, die Zimmer in der neuen Wohnung zu klein für das Ding. Nun steht es bei mir. Zuerst dachte ich, er sollte es bloß bald wieder abholen. Es ist ja nicht so, dass ich endlos viel Platz hätte. Ich muss mich im Flur jetzt immer um dieses Teil herum winden. Aber es sieht cool aus. Es ist eine Wurlitzer 2500 und sie leuchtet so schön, wenn man sie anschaltet.
Natürlich sind da eine Menge Platten drin. Ich sah sie mir an und konnte die Titel kaum einordnen oder mich erinnern, was das für Lieder waren. Dann kam so ein schönes Gefühl von Nostalgie auf. Bei „Mr. Tambourine man“ zum Beispiel oder „No milk today“. Ich hab das Teil so laut gestellt, dass die Nachbarn klopften und fragten, ob es etwas zu feiern gibt. Ich winkte sie gleich rein, wir standen vor der Wurlitzer und schauten sie an. Jeder wollte sich jetzt ein Lied wünschen und ein Geldstück reinschmeißen. Leider wurde diese Funktion ausgebaut, das Maschinchen spielt auch ohne Münzen. Als sie das hörten, machten sie lange Gesichter. Es muss doch schön sein, wenn man einen Handgriff macht, und es passiert danach genau das, was man erwartet. Aber das könnten sie ja auch ohne Geld erleben, sagte ich. Einfach die Platte auswählen, den Schalter da betätigen, und es käme die gewünschte Musik. „Und ist es nicht toll, dass auch mal etwas kostenlos zu haben ist?“ Da nickten sie und probierten alle Platten durch. Das dauerte bis zum Morgen. Getränke hatte ich genug. So sind wir doch mal wieder alle zusammengekommen. Ich hoffe jetzt, die Jukebox bleibt noch lange hier.
ANNETTE SCHWARZ