WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Es war einmal vor hundert Jahren, da wurde in Berlin ein Theater gebaut: Holzvertäfelungen prägten seinen Zuschauerraum, und als in Berlin 1945 der Krieg zu Ende ging, verlief hier im Hebbel-Theater eine Zeit lang eine dramatische Hauptschlagader der zerstörten Reichshauptstadt. Beziehungsweise seiner sich aus der Asche berappelnden Theaterszene. Nun, da das Haus mehr Durchlauferhitzer denn Hauptschlagader ist, wird hier schon seit einiger Zeit standesgemäß Geburtstag gefeiert. Mit der Uraufführung des neuen Projekts von Rimini-Protokoll „100 Prozent Berlin“ erreichen die Feierlichkeiten am Freitag im HAU ihren Höhepunkt. Aber auch sonst quellen die Spielpläne in dieser Woche über vor Highlights, und man weiß gar nicht, wohin man zuerst gehen soll. In der DT-Box befasst sich der junge Philipp Reuss mit dem alten „Woyzeck“ von Büchner, der aus seiner Sicht eine Studie über die Entstehung von Gewaltverhältnissen ist. Im Gorki Studio liefert Caroline Hoffmann mit Felicitas Zellers subtiler Komödie „Deutsches Hysterisches Museum“ ihre Diplominszenierung ab. Auch die Thalheimer-Factory am Deutschen Theater hat ein neues Werk in der Endfertigung: Am Samstag kommt dann Henrik Ibsens „Die Wildente“ heraus. Die Volksbühne befasst sich weiter mit postdramatischer Operninszenierung und bringt am Freitag Sebastian Baumgartens „Tosca“-Interpretation nach Puccini heraus. The rest is Russian: Amina Gusner inszeniert eine Theaterfassung von Lew Tolstois „Anna Karenina“ mit ihrem Dreamteam Peter René Lüdicke und Katja Riemann, ab Mittwoch im Theater am Kurfürstendamm. Und heute Abend hat in der Schaubühne Falk Richters Inszenierung von Anton Tschechows letztem Drama „Der Kirschgarten“ Premiere, die den russischen Landadel als zerfallendes letztes Bollwerk gegen den Raubtierkapitalismus entdeckt.
„100 Prozent Berlin“: HAU 1, Fr.–So.
„Woyzeck“: DT-Box, ab Do.
„Deutsches Hysterisches Museum“: Gorki Studio, ab Fr.
„Tosca“: Volksbühne, ab Fr.