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Archiv-Artikel

Kämpfer angefordert

AUS BERLIN SVEN HANSEN

Die Nato hat am Dienstag offiziell bei der Bundesregierung die erwartete Anfrage nach einer Schnellen Eingreiftruppe für den Norden Afghanistans gestellt. Dies gab ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin bekannt. Es handelt sich um 240 bis 250 Soldaten, die Hilfe für bedrängte Truppen im gesamten Norden Afghanistans leisten, Konvois schützen und Anschläge verhindern sollen.

Die deutsche Eingreiftruppe soll ab Sommer 350 norwegische Soldaten ersetzen. Sie sind dort bereits unter deutschem Regionalkommando innerhalb der Nato-geführten Isaf-Schutztruppe als mobile Kampftruppe im Einsatz und werden in den Süden verlegt. Die norwegische Truppe umfasst auch eine 100-köpfige Hilfstruppe. Diese benötigt die Bundeswehr nicht, da sie in Masar-i-Scharif, wo die Eingreiftruppe stationiert ist, ohnehin ihr Hauptquartier hat.

Die Bundesregierung will Anfang Februar über die Nato-Anfrage entscheiden, lässt an ihrer Zustimmung aber keinen Zweifel. Über eine deutsche Eingreiftruppe, die stärker als Kampftruppe auftreten wird denn als bewaffnete Schutz- und Aufbautruppe wie die bisherigen PRT genannten Wiederaufbauteams, ist bereits viel debattiert worden. Die Soldaten dürften von der in Niedersachsen stationierten 1. Panzerdivision kommen.

Die Bundesregierung meint, die Eingreiftruppe werde vom bisherigen Bundestagsmandat gedeckt. Der Einsatz sei sogar selbst im viel konfliktreicheren Süden Afghanistans vorübergehend möglich, denn das Bundestagsmandat sehe auch Nothilfe vor. Die Obergrenze des Mandats, das im Oktober verlängert worden war, liege bei 3.500 Soldaten und müsse deshalb nicht geändert werden.

Sprecher von Regierung und Koalition verwahrten sich gegen den Eindruck, mit der Eingreiftruppe steige das Risiko deutscher Verluste stark, während der bisherige Isaf-Einsatz der rund 3.200 Bundeswehrsoldaten eher ungefährlich gewesen sei. Auch dieser sei riskant. Damit unterscheide sich der Einsatz der Eingreiftruppe nicht grundsätzlich von den bisherigen Aufgaben. Die norwegische Truppe, die mehrfach bei inneren Unruhen im Einsatz war, blieb bisher verlustfrei. Sie kam aber schon einmal im Westen gegen dort eindringende Taliban zum Einsatz.

Bundeswehrverband und Linkspartei sehen hingegen, dass mit der Eingreiftruppe der deutsche Afghanistaneinsatz insgesamt eine andere Qualität bekomme und zum Kampfeinsatz werde. Das Risiko von Verlusten wie der Verwicklung in Kampfhandlungen steige. Damit treibe die Bundesregierung selbst „die Spirale der Gewalt in Afghanistan voran“, erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi.

Die Linke, aber auch Abgeordnete der Grünen befürchten, die Einsatztruppe könne die Vorstufe für eine Ausdehnung des in Umfragen zunehmend unbeliebten Bundeswehreinsatzes auf den gefährlicheren Süden und Osten bilden. Der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei fordert deshalb zur Verhinderung einer „Türöffnerfunktion“ eine Beschränkung des Einsatzgebietes auf den Norden. Er sieht die Truppe durch das bisherige Mandat gedeckt, erwartet aber wachsende Risiken.

Nato-Partner werfen Berlin schon vor, dass Deutschland sich mit der Beschränkung auf den ruhigeren Norden vor Einsätzen in den Regionen drücke, wo mit größeren Verlusten zu rechnen ist. In dem seit Ende 2001 geführten Bundeswehreinsatz kamen bisher 26 Soldaten ums Leben, davon 11 durch Anschläge oder Minen, 15 durch Unfälle. Im Vergleich dazu verlor Kanada, das seine Truppen im Süden einsetzt, 78 Soldaten. Ottawa drängt deshalb auf Lastenteilung im Süden. Premierminister Stephen Harper drohte am Dienstag mit dem Abzug der 2.500 kanadischen Soldaten aus der Provinz Kandahar, sollten andere Länder nicht bald mindestens weitere 1.000 Soldaten in den Süden schicken.