Flughafen doch umweltgerecht

Weniger Baumaßnahmen und eine Stiftung für Umweltprojekte: Naturschutzverbände einigen sich mit der Stadt Lübeck über den Ausbau des dortigen Billigflieger-Airports. Manch verbliebener Ausbau-Gegner ist unzufrieden

Nach einem Gutachten, das die Landesregierungen Hamburgs und Schleswig-Holsteins vor zwei Jahren vorstellten, sollte der Lübecker Flughafen die zweite Geige im hohen Norden spielen. Es gebe reichlich Kunden für Billigflieger in der Region, fand die beauftragte Firma Uniconsult, ein Ausbau lohne sich daher. Beim Flughafen Kiel-Holtenau sehe das anders aus. Er solle in Reserve gehalten werden. Und wer auf dem Militärflugplatz Jagel einen zivilen Flugbetrieb einrichten wolle, solle das auf eigenes Risiko tun. Nicht einfacher wird die Lage Lübecks dadurch, dass auch von Hamburg aus zunehmend Billigflieger starten. Ende des Jahres wird der dortige Airport im Stadtteil Fuhlsbüttel zudem bequemer zu erreichen sein: Dann rollt die erste S-Bahn zum Airport. KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Die Umweltverbände sind aus der Klägerfront gegen einen Ausbau des Flughafens Lübeck ausgeschert. Nabu, BUND und Landesnaturschutzverband (LNV) legten in einem einjährigen Mediationsverfahren ihren Streit mit der Hansestadt Lübeck und der Flughafen-Gesellschaft bei. Die Verbände verzichten darauf, im demnächst beginnenden Planfeststellungsverfahren gegen den Ausbau des Flughafens zu klagen. Im Gegenzug wurden die Pläne eingedampft und eine 2,5 Millionen Euro schwere Naturschutzstiftung vereinbart. Die verbliebenen Flughafengegner reagierten zum Teil wütend und enttäuscht.

Lübeck-Blankensee ist einer der Regionalflughäfen, die von Billigfliegern – in diesem Fall Ryanair – leben, oder auch nicht. Denn die Passagierzahlen in Lübeck sind rückläufig: Von 710.000 im Jahr 2005 sanken sie über 678.000 auf zuletzt 613.000. Zum Vergleich: Der Flughafen Hamburg fertigte im vergangenen Jahr 12,8 Millionen Passagiere ab. Gegen Lübeck leitete die EU-Kommission im Juli 2007 ein Verfahren wegen illegaler Beihilfen ein: Der Airport soll Ryanair mit Sonderkonditionen bei der Stange gehalten, die Stadt wiederum soll die Verluste des Flughafens getragen haben. Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) wies die Vorwürfe zurück.

2005 hatte die Stadt die Mehrheit der Anteile am Flughafen an die neuseeländische Gesellschaft Infratil verkauft. Die neuen Eigentümer wollten den Flughafen ausbauen, wurden aber von den Umweltverbänden daran gehindert. Auf Antrag der Verbände verhängte das Oberverwaltungsgericht Schleswig einen Baustopp: Bereits die bestehenden Flughafen-Anlagen seien „in ihrem rechtlichen Bestand keineswegs gesichert“ – sprich: illegal. Die Ausbaupläne beeinträchtigten das „faktische“ EU-Vogelschutzgebiet „Grönauer Heide“. Mit dem Ausbau habe es keine Eile, da der Flughafen „weit von einer Kapazitätserschöpfung entfernt“ sei, befand das Gericht damals.

Unter diesen Umständen schien es der Stadt geraten, mit den Verbänden zu verhandeln. Im Ergebnis nahm sie den beklagten Planfeststellungsbeschluss und damit einen großen Teil der Ausbaupläne zurück. So soll eine Pistenverlängerung nun weniger gewaltig ausfallen. Ein Rollweg wird doch nicht ins Naturschutzgebiet führen. Und: Mit Hilfe der Stiftung „Grönauer Heide“ können künftig Naturschutzaktivitäten im Lübecker Becken finanziert werden. Die von Stadt und Flughafen zugesagten „Maßnahmen und Leistungen“ über das gesetzlich festgelegte Maß hinaus hätten einen Wert von sechs Millionen Euro, resümieren die Verbände.

„Die Vereinbarung zieht einen Schlussstrich unter die rechtswidrigen Genehmigungsverfahren sowie illegale Baumaßnahmen in der Vergangenheit“, sagt der LNV-Vorsitzende Volkher Looft. „Unsere Messlatte für eine erfolgreiche Einigung war, dass die Vereinbarung für die Lübecker Natur mehr bringt, als es weitere Klagen hätten bewirken können“, ergänzt der Nabu-Landeschef Hermann Schultz.

Hans-Georg Weißkichel (CDU), Bürgermeister der Flughafen-Anrainer-Gemeinde Groß Grönau, ist über die Einigung weniger glücklich. „Zu diesem Zeitpunkt bestand keine Notwendigkeit, eine Vereinbarung zu unterzeichnen“, sagt er. Noch sei keineswegs klar, wie die neuen Pläne aussehen sollten: „Man tut so, als sei alles gelaufen, und das ist es weiß Gott nicht.“

Schlimm findet es Weißkirchel, dass der Schutz des Menschen und jener der Natur auseinanderdividiert werde. Sicher sei jeder Cent, der in die Verbesserung der Natur gesteckt werde, gut angelegt. Alle Flughafenkritiker gemeinsam hätten seiner Überzeugung nach in dem künftigen Planfeststellungsverfahren aber mehr erreichen können.

Gerhard Haase von der „Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm“ (SGF) zeigt Verständnis für die Naturschutzverbände. Auch er sei zunächst wütend geworden, als ihn die Nachricht von der Einigung erreichte, schreibt er in einer Mitgliederinformation. Nach Meinung der Anwälte hätten die Verbände aber bei einem neuerlichen Planfeststellungsverfahren mit der reduzierten Ausbauplanung „keinerlei Aussichten ein weiteres Verfahren zu gewinnen“.

Ein Bericht der Lübecker Nachrichten über die Einigung sei darauf angelegt gewesen, „einen Keil zwischen die Verbände und die SGF zu treiben und die Position der SGF zu schwächen“, so Haase. Das werde nicht gelingen. Die Position der Schutzgemeinschaft sei gestärkt worden. Wegen der Verhandlungen werde es vor Ende 2009 keinen Planfeststellungsbeschluss geben. Das eröffne Infratil die Möglichkeit, den Flughafen an die Stadt zurückzugeben. Überdies sei ungewiss, ob Ryanair dem Flughafen überhaupt so lange treu bleibe: Seit einiger Zeit setzt die Discount-Airline verstärkt auf den Flughafen Bremen.