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Studenten sind kacke

11 Uhr, Starbucks, Friedrichstraße

„Ich muss mal ganz schnell Pipi.“ Zwei junge Frauen haben die begehrten großen Sessel ergattert, die vorne im Eingangsbereich größten Komfort versprechen. Die eine Frau ist aschblond, die andere L’Oreal-schwarz. „Warte“, sagt die Schwarzhaarige, „ich muss dir noch ganz schnell was erzählen.“ – „Ja gleich, ich muss wirklich ganz doll mal Pipi.“ Die Blonde steht auf und geht. Die Schwarzhaarige schaut ihr hinterher und rutscht ungeduldig in ihrem großen Sessel hin und her. Das Café ist rappelvoll. Es ist laut. Durch die Fensterscheiben schauen die Menschen nach draußen. Jokers – Steinbruch – Sparkasse – ein Mann versucht eine Obdachlosenzeitung, die Motz, zu verkaufen. Er bewegt seinen Mund, aber im Café hört man nur laute Geräusche, Gesprächsfetzen, amerikanische Barmusik.

Die blonde Frau kommt von der Toilette zurück. „Mit dieser Natalie – das geht echt gar nicht“, platzt es aus der Dunkelhaarigen heraus. „Mit der arbeite ich ja neuerdings, und gestern hat sie gemeint, ich soll ihren Freund nicht anmachen! Was hat die bloß? Die denkt wohl, sie ist was Besseres, nur weil sie studiert.“ Die blonde Frau nickt verständnisvoll und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ja, Studenten sind voll kacke.“ Sie schweigen einen Augenblick, dann steht die Dunkelhaarige auf. „Ich muss jetzt auch mal.“ – „Echt?“, meint die andere. „Das ist ja lustig, dass wir beide zur selben Zeit Pipi müssen! Erst ich, dann du.“ Beide kichern. Mit schnellen Schritten geht sie in Richtung Toilette. Die sitzengebliebene Frau schaut aus dem Fenster. Draußen bringt der Motz-Verkäufer ein Exemplar an den Mann. Sein Mund bewegt sich: auf und zu. JOLENE TRIEBEL

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